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Ringen um die Stadtentwicklung

Wildau ringt um die weitere Stadtentwicklung – im Allgemeinen wie im Konkreten: Wie groß soll die Stadt werden, und was passiert am Dahme-Nordufer? Eine Hürde liegt seit gestern niedriger: Im Streit ums Dahme-Nordufer unterliegt die Bauwert AG einmal mehr.

 

Von Birgit Mittwoch und Dörthe Ziemer

 

Diese Wiese da hinten soll eigentlich bebaut werden. 250 Wohnungen, so berichtet eine Einwohnerin aus Wildau, sollen da entstehen - das sind ca. 700 Einwohner mehr. Wohin mit all den Autos und dem Verkehr, in welche Kita oder Schule sollen deren Kinder gehen? Die Frau zeigt sich sichtlich beunruhigt und war deswegen am vergangenen Freitag auch zum 2. Bürgerstammtisch gekommen.

 

Mit ihren Sorgen ist sie nicht allein. Viele Wildauer fanden sich am vergangenen Freitag zum Bürgerstammtisch ein. Das große Thema: Stadtentwicklung. Eingeladen hatte das Bürgerbündnis Wildau und gut 100 Einwohner hatten schnell die Bänke im großen Veranstaltungszelt gleich hinter dem REWE-Markt besetzt. Auch das Podium füllte sich zügig – mit Fachleuten aus Politik, Verwaltung und freier Wirtschaft. Der Einladung gefolgt waren Wilfried Kolb, Chef der Bauverwaltung Wildau, Isabell Mayer, deren Büro eine Infrastrukturstudie für die Stadt Wildau erstellt hat, der Stadtplaner Dogan Yurdakul, Robert Krowas vom Umweltamt in Lübben und für den „Überblick“ Susanne Rieckhof, Sozialdezernentin des Landratsamtes. Sven Herzberger, Bürgermeister der Nachbargemeinde Zeuthen, konnte wegen eines Trauerfalls nicht teilnehmen. Die beiden letztgenannten kandidieren derzeit für das Amt der Landrätin / des Landrates Dahme-Spreewald.

 

Wildaus Bürgermeister Frank Nerlich war ebenfalls anwesend – wechselte später auch aufs Podium. Was für ein Wildau wollen wir in Zukunft haben? Wie stark soll Wildau wachsen? Moderator Franz-Reinhard Habbel, ehemaliger Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, hatte die schwere Aufgabe, dazu die verschiedenen Meinungen der Podiumsleute einzuholen, zu ordnen und in die Diskussion zu bringen.

 

Wenn die Infrastruktur nicht mitwächst

9.000 Quadratkilometer Fläche hat die Stadt Wildau, aktuell leben ca. 11 .00 Einwohner hier, der Zuzug in den letzten Jahren war erheblich. Die Infrastruktur sei dagegen, so das Bürgerbündnis, nicht adäquat mitgewachsen: starker Durchfahrtsverkehr, unzureichende Geh-und Radwege, Autobahnlärm, Fluglärm, Altlastensanierung, steigende Mieten wegen fehlenden Wohnraums. Wie viele Einwohner mehr kann die Stadt noch verkraften? Isabel Mayer konnte eine gewisse Sorge, dass eine Überforderung der Kommune durch zu viel Zuzug von außen einsetzt, durchaus nachvollziehen. Natürlich, so gab der Stadtplaner Dogan Yurdakul, zu bedenken, habe Wachstum Folgen. Aber kein Wachstum habe eben auch Folgen. 

 

Was also ist der richtige Weg? Die Meinungen dazu waren an diesem Abend durchaus gespalten.

 

Bauamtschef Siegried Kolb verwies auf noch vorhandene Bau-Potenziale, darauf, dass weitere Flächen beplant werden können, „einige Flächen mitten in der Stadt hat man bisher liegen gelassen“. Robert Krowas vom Umweltamt des Landkreises sieht das Wohn-Entwicklungspotential in der Fläche dagegen erschöpft, man müsse, wenn man weitere Wohnentwicklung wolle, die „belasteten“ Flächen, also ehemalige Industrieflächen, angehen.

 

Dem entgegen steht allerdings ein sogenanntes Bau-Moratorium der Stadtverordnetenversammlung Wildaus vom November 2022, laut dem die Einwohnerzahl Wildaus (bis 2042) auf nicht mehr als 14.000 steigen darf. Diesem Moratorium liegt die Infrastrukturstudie des Büros Mayerwittig zugrunde.

 

Eine schwierige Abwägung von Bürgerinteressen und Investorenplänen.

 

Entwicklung nach den Regeln der Stadt

Susanne Rieckhof gab die besondere Herausforderung durch den Wissenschaftsstandort Wildau zu bedenken: Die Technische Hochschule Wildau mit 3.500 Studierenden müsse unbedingt mit einbezogen werden in weitere Planungen zur Stadtentwicklung – Studenten sollen auch in der Nähe wohnen können. Aber das dürfe nicht zu Verdrängungsprozessen führen, zu höheren Mietpreisen oder dazu, dass sich die älteren Einwohner Sorgen machen. 

 

Isabell Meyer bekam von vielen anwesenden Wildauern Beifall für ihre Meinung: „Ja, man sollte eine weitere Entwicklung Wildaus unterstützen, aber nach den Regeln der Stadt. Wenn hier jemand in Wohnbebauung investieren will, dann muss z.B. eine neue Kita gleich mitgebaut werden. Wichtig ist auch eine soziale Nachhaltigkeit.“ Alle sozialen Gruppen sollten bei einer weiteren Wohnbebauung berücksichtigt werden, Mietwohnungen und Eigentum müssten sich die Waage halten.

 

Stadtplaner Prof. Yurdakul wies auf die aktuellen Herausforderungen beim Neubau von Wohnungen hin. Wenn neu gebaut würde, müssen Gründächer und Photovoltaikanlagen unbedingt mitgedacht werden, auch die Regenwasserversickerung sei wichtig und wenig Anreize für mehr PKW-Verkehr.

 

Bürgerstammtisch zum Thema Stadtentwicklung in Wildau, organisiert vom Bürgerbündnis Wildau. Foto: Birgit Mittwoch

 Bürgerstammtisch zum Thema Stadtentwicklung in Wildau, organisiert vom Bürgerbündnis Wildau.
Foto: Birgit Mittwoch

 

Miteinander ins Gespräch kommen, Meinungen austauschen – unter dem Motto hatte das Bürgerbündnis zum 2.Stammtisch eingeladen. Viele anwesenden Wildauer zeigten sich jedoch unzufrieden mit der Gesprächsrunde. „Was mir massiv fehlt, sind Antworten: Was wollen sie in Zukunft investieren?“, kritisierte Tanja Gerstner. Für die Studenten fehle z.B. Wohnraum, was sei da tatsächlich geplant? Einer Einwohnerin fehlten vor allem die Rückinformationen der Stadt, die verliefen im Sande. Ebenso sei die Stadt zweigeteilt: Was werde dafür getan, dass die „untere“ und die „obere“ Hälfte zusammenwüchsen? Warum gebe es noch immer kein Stadtzentrum in Wildau?  Eine weitere Wildauerin fragte erstaunt, warum denn nur ein einziger Stadtverordneter zum Bürgerstammtisch erschienen sei, obwohl gerade in der Stadtverordnetenversammlung alle wichtigen Entscheidungen für die Stadt getroffen würden. „Das ist keine Bürgernähe“, kritisierte sie.

 

Ronni Krzyzan vom Bürgerbündnis Wildau zeigte sich dennoch zufrieden mit dem 2. Bürgerstammtisch. Viele Wildauer seien gekommen, es habe viele Fragen gegeben, gerade weil viele Bürger mit der Stadtpolitik nicht zufrieden seien. Deshalb böten diese Stammtische immer auch eine Plattform für eine Aussprache. Warum gerade deshalb von den Stadtverordneten (19 Mitglieder) nur ein einziger anwesend war, das könne sie auch nicht verstehen.

 

Bauwert AG unterliegt mit Antrag auf einstweilige Verfügung

Konkreter wurde ein Workshop der Stadtverwaltung Ende August zum Dahme-Nordufer. Das Areal war vor kurzem noch für eine umfangreiche Wohnbebauung durch die Bauwert AG vorgesehen. Doch im vergangenen Jahr stoppten die Stadtverordneten mehrheitlich die Entwicklung – u.a. mit Blick auf die Infrastrukturstudie, die auch ohne das Dahme-Nordufer eine Einwohnerentwicklung auf bis zu 13.000 Einwohner im Jahr 2025 prognostiziert, wenn man alle derzeit bestehenden B-Pläne und B-Plan-Änderungen einrechnet. Dazu gehört das Dahme-Nordufer nicht – Baurecht liegt dort noch nicht vor.

 

Gegen das Projekt-Aus geht die Bauwert AG gerichtlich vor. Vor dem Landgericht Cottbus unterlag sie jedoch mit dem Antrag auf eine einstweilige Verfügung, durch die sie eine Vormerkung zum Kauf der Grundstücke erwirken wollte. Das Gericht verkündete gestern, das der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen wurde. Wie ein Gerichtssprecher mitteilt, muss die Bauwert AG die Kosten des Verfahrens tragen. Bürgermeister Frank Nerlich war bei der Verhandlung dabei und berichtete, dass für einen Vormerkungsanspruch zum Kauf der Grundstücke ein Eigentumsübertragungsrecht vorliegen müsse. „Das ist hier offenbar nicht gegeben.“

 

Ein Grund mehr für die Verwaltung, sich gemeinsam mit Stadtverordneten, sachkundigen Einwohnern und Fachleuten aus Wirtschaft und Wissenschaft, dem Jugend- und Seniorenbeirat, Vereinsvorsitzenden sowie den Bürgermeistern Jörg Jenoch und Sven Herzberger aus den Nachbarkommunen Eichwalde und Zeuthen Gedanken über die Entwicklung des Gebietes zu machen. Einige Gäste, darunter Ronni Krzyzan vom Bürgerbündnis, hielten den Workshop für verfrüht. Doch das Damoklesschwert der Bauwert-Klage schwingt inzwischen nicht mehr ganz so heftig.

 

Großprojekt oder sukzessive Entwicklung?

Wichtig sei, so Frank Nerlich, „dass wir uns mit dem Grundstück Dahme-Nordufer auseinandersetzen“, schließlich sei es eines der letzten Filetgrundstücke mit einer Größe von rund acht Hektar. „Da sollten wir nicht nur Unternehmern vertrauen, die gute Konzepte haben, die ihnen in den Kram passen“, sagte er. „Wenn von beiden Seiten der Wille zur Entwicklung besteht, dann kann man das alles tun.“ Doch genau dies sei vonseiten der Stadtverordneten zuletzt nicht signalisiert worden. Nun gehe es darum zu überlegen, was auf so eine Fläche gehöre und was nicht. Der Workshop sollte als Auftakt verstanden werden, anschließend könnten sich die Bürger einbringen. An sechs Thementischen tauschten sich die Anwesenden aus zu den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Wohnen, Wirtschaft, Tourismus und Sport. 

 

An mehreren Thementischen wurde Ende August auf Einladung der Stadtverwaltung zum Dahme-Nordufer diskutiert. Foto: Dörthe Ziemer

An mehreren Thementischen wurde auf Einladung der Stadtverwaltung zum Dahme-Nordufer diskutiert.
Foto: Dörthe Ziemer 

 

Isabell Mayer vom Büro Mayerwittig zeigte vorab auf, welche Nutzungsarten zu betrachten seien: Für eine gewerbliche Nutzung könnten bestehende Strukturen des Zentrums für Luft- und Raumfahrt und der TH Wildau betrachtet werden, außerdem könne die Zugehörigkeit Wildaus zur Airportregion eine Rolle spielen. Der Gemeinbedarf ergebe sich aus den Bedürfnissen der Stadt heraus: Sportflächen, Flächen für Jugendliche, eine weiterführende Schule sowie Flächen für Kultur, Freizeit, Tourismus müssten miteinander abgewogen werden. Unbedingt solle ein Grünzug am Dahme-Ufer freigelassen werden. Für alle Punkte gelt, dass es kein abgeschlossenes Quartier sein solle.

 

Auch die Entwicklung selbst könne auf unterschiedliche Art erfolgen, legte Isabel Mayer dar: Denkbar sei ein Großprojekt mit einer kommerziellen Hauptnutzung, die die investiven Kosten (Erschließung, Entsorgung der Altlasten) wieder reinspiele. Hierbei müsse die gemeindliche Nutzung einbezogen werden. Oder man folgt dem Modell einer kleinteiligen und sukzessiven (nach und nach) Entwicklung je nach Bedarf, der sich aus der Stadt ergibt. Hierbei könnten Vorhalteflächen für mittelfristige Bedarfe definiert werden, die sich zum Projektstart noch nicht abzeichnen.

 

Dahme-Nordufer als Real-Labor

Ideen gab es viele, am visionärsten waren jene vom Tisch Wissenschaft. Man müsse bei der Entwicklung des Gebietes die Technische Hochschule Wildau (TH) einbeziehen, sagte deren Präsidentin Ulrike Tippe. Neben dem Bedarf etwa an Hotels oder Kurz-Wohnmöglichkeiten für Veranstaltungen und Forschende der TH verwies sie auf den wachsenden Bedarf an seniorengerechten Wohnungen und Wohnplätzen für Studenten. Beides könne Hand in Hand gehen - und mithilfe der Forschungsergebnisse der TH könnten beispielsweise Modelle zum smarten Wohnen für eine möglichst lange Eigenständigkeit im Alter entwickelt werden. „Wir haben die Expertise dazu, quasi in einem Real-Labor gemeinsam mit den Menschen Dinge zu entwickeln“, sagte sie.

 

Allen Teilnehmenden war der Tenor gemein, dass unbedingt ein gemischtes Gebiet aus Wohnen, emissionsarmem Gewerbe, Freizeit, Bildung und mehr entstehen solle – das eine gemischte Alters- und Sozialstruktur hervorbringe. Einige Teilnehmer zogen eine schrittweise Entwicklung vor, so beispielsweise Wiwo-Chef Sven Schulze und TH-Präsidentin Ulrike Tippe. Dabei ließe sich durch den Verkauf von Teilflächen für kleinere Projekte die notwendige Sanierung der Altlasten teilweise finanzieren, so der Wiwo-Chef. „Wir können das aus eigener Kraft stemmen“, sagte er. Ulrike Tippe verwies darauf, dass in Zeiten zahlreicher Krisen niemand wisse, was in fünf Jahren ist. „Da ist es gut, agil vorzugehen: klein anfangen, mit den Betroffenen etwas entwickeln, Schritt für Schritt weitergehen.“

 

Gedanken und Ideen, was am Dahme-Nordufer entstehen könnte und innerhalb welcher Prozesse, sind also genügend vorhanden. Sven Herzberger zeigte sich als Bürgermeister der unmittelbar an das Dahme-Nordufer angrenzenden Gemeinde Zeuthen „glücklich über die Impulse, die es gab“. Aus der Ferne betrachtet habe er sich in den vergangenen Monaten schon gefragt, ob nun gar nichts am Dahme-Nordufer passieren solle. „Es war interessant zu sehen, was die Wildauer wirklich meinen, was da entstehen soll“, sagte er. Mark Scheiner, Stadtverordneter der CDU, fand: „Es war ein guter Anfang für die Zukunft, in der am Dahme-Nordufer etwas entsteht. Das ist für die Wildauer und für umliegende Kommunen entscheidend.“ 

 

Bleibt die Frage, ob Inhalte aus Bürger-Foren und Workshops der Stadtverwaltung am Ende zu akzeptierten Inhalten für die Entscheidungsgremien der Stadtverordnetenversammlung zusammenfließen. 

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Do, 21. September 2023

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