Dilemma Kreisumlage
Der Kreistag hat kürzlich entschieden, im Gerichtsverfahren zur Kreisumlage in die Berufung gehen zu wollen. Jörg Jenoch, Bürgermeister der klagenden Gemeinde Eichwalde, hält das für nicht notwendig. Das ist nicht das einzige Dilemma rund um die Kreisumlage…
Von Dörthe Ziemer
In dem aktuell vor Gericht verhandelten Fall geht es um die Kreisumlage 2019. Die Gemeinde Eichwalde hatte gegen den Kreisumlagebescheid 2019 über rund 2,8 Millionen Euro Widerspruch eingelegt, nach dessen Ablehnung dagegen geklagt – und nun vor dem Verwaltungsgericht Cottbus gewonnen. Der Landkreis wiederum hat die Zulassung zur Berufung beantragt. Das Gericht hält die Festsetzung der Kreisumlage für rechtsunwirksam, es gibt dem Landkreis wiederum in vielen anderen Punkten Recht. „Zwar verfangen die gegen die Höhe der Kreisumlage gerichteten Angriffe der Klägerin im Ergebnis nicht; der Landkreis Dahme-Spreewald hat allerdings seinen verfassungsrechtlichen Ermittlungspflichten nur unzureichend entsprochen“, heißt es im Urteil. Aus diesem Ermittlungsdefizit folge, dass die Festsetzung der Höhe der Kreisumlage nichtig und der Bescheid rechtswidrig sei. Das gilt allerdings nur für die klagende Gemeinde. Die Kreisumlage-Bescheide an die anderen Kommunen im Landkreis sind bestandskräftig geworden. Der Widerspruch Eichwaldes gegen den Kreisumlagebescheid von 2020 in Höhe von 2,7 Millionen Euro ruht derzeit.
Zulassung zur Berufung ist offen
Noch ist offen, ob das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg dem Antrag auf Berufung stattgeben wird. Wann damit zu rechnen ist, sei nicht absehbar, teilt die Pressebeauftragte Christiane Scheerhorn mit. Das Verwaltungsgericht Cottbus hatte die Berufung nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe, heißt es im Urteil. Auch aus Sicht des Eichwalder Bürgermeisters Jörg Jenoch ist eine Berufung nicht notwendig. „Das erstinstanzliche Urteil hat ja klar zur Klärung der Anforderungen an den Landkreis bei der Festsetzung der Kreisumlage beigetragen, indem klargestellt wurde, dass nicht nur die zukünftigen Bedarfe des Landkreises sondern auch die zukünftigen Bedarfe der Städte, Ämter und Gemeinden in die Berechnung einfließen müssen“, sagt er. Das sei so nicht erwartbar gewesen.
Seit nunmehr zwei Jahren werde konstruktiv über die Ausgestaltung des Prozesses der Festlegung der Kreisumlage verhandelt, so Jörg Jenoch. „Wir gestalten die Anforderungen im Konsens und brauchen auf keinen Fall ein weiteres Urteil.“ Das sieht der Landkreis anders: Wie das Verfahren künftig aussehen soll, dazu will er in einer Berufung mehr Klarheit erhalten. Das Berufungsverfahren trage „auch zur Klärung der Anforderungen an den Landkreis und damit zur Rechtssicherheit in der Handhabung der Kreisumlage“ bei, heißt es in der Begründung. Auch der Prozessbevollmächtigte des Landkreises (der den Landkreis vertretende Anwalt) habe empfohlen, die Zulassung der Berufung zu beantragen. Der Kreistag war dieser Argumentation mehrheitlich bei vier Gegenstimmen und einer Enthaltung gefolgt.
Was ist eigentlich die Kreisumlage?
Worum geht es in der Klage?
Konkret stellte das Verwaltungsgericht Cottbus fest, dass die Kämmerei der Kreisverwaltung im Jahr 2019 den Finanzbedarf der Kommunen lediglich durch eine verwaltungsinterne Abfrage an die Kommunalaufsicht zu den Jahresabschlüssen/Ergebnissen 2016-2018 ermittelt habe – was jedoch für 2019 in den Kommunen geplant sei, nicht. „Der Landkreis sagt ja selbst auch: Er brauche in zwei Jahren soundsoviel Geld für ein Gymnasium, für Straßenbau usw.“, zählt Jörg Jenoch auf. Aber in Bezug auf die Kommunen habe im 2019er Haushalt gestanden, man könne die Bedarfe gar nicht ermitteln, weil es noch keine Jahresabschlüsse gab. „Da habe ich gesagt: Dann fragen Sie uns doch!“, erzählt der Eichwalder Bürgermeister. Das sei nicht passiert. „Die Bedarfe der Kommunen und des Kreises sind nebeneinanderzulegen, und zwar so, dass ich als Bürgermeister überprüfen kann, ob das regelgerecht abgelaufen ist“, betont Jörg Jenoch. Die Bedarfe deckten sich auch nicht unbedingt damit, was eine Kommune leisten kann, sagt er: „Was man in den Haushalt einstellt, ist das, was man leisten kann, zum Beispiel eine Pflasterstraße sanieren.“ Doch der Bedarf sei weitaus höher, nämlich mehrere Straßen zu sanieren. „In den Kommunen gibt es immensen Bedarf, die Infrastruktur auszubauen“, betont er.
„Dann fragen Sie uns doch!“
Jörg Jenoch, Bürgermeister Eichwalde
Dass es schwierig sei, dies als konkreten Bedarf im Vorhinein abzubilden, wird im Gerichtsurteil deutlich: In welcher Weiser ein Landkreis seinen Ermittlungspflichten nachkomme, werde aufgrund der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nicht vorgegeben. Wenn es keine weiteren Vorgaben vom Land gibt, trage der Kreis die Verantwortung dafür, dass die Ermittlung verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Hierbei gelte vor allem der Artikel 28 des Grundgesetzes, wonach die finanzielle Eigenverantwortung und Finanzausstattung für alle Kommunen bestehen –Gemeinden und Landkreise gehören gleichermaßen dazu. Dieser Grundsatz zwinge den Landkreis dazu, heißt es im Urteil, „nicht nur seinen eigenen, sondern auch den Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln“. Die Entscheidungen dazu müssten offengelegt werden – um den Gemeinden und möglicherweise den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen. Hierbei seien weder landesweite Orientierungswerte noch ein formloser kommunalpolitischer Austausch ausreichend – sondern eine „gesicherte Daten- und Informationsgrundlage für die Beschlussfassung der Kreisgremien“. Dafür müssten geeignete Kriterien festgelegt werden, die zum Teil auch vorausblickend sind, also eine (zwangsläufig unsichere) Prognose beinhalten.
Umsetzung bleibt offen
Diese Ausführungen lassen offenbar Landrat Stephan Loge etwas ratlos zurück: „Was meint der Richter, wie das praktisch durchzuführen ist?“, fragte er in den Beratungen mit dem Kreistag. „Wenn sich die Analyse auf aktuelle Abfragen in den Verwaltungen bezieht, muss man dann die Verwaltungsmitarbeiter analysieren? Der Eine ist realistisch, der andere baut Wolkenkuckucksheime. Darauf muss ein Richter doch eine Antwort geben“, fordert er. Für Jörg Jenoch ist das unproblematisch: „Ich unterstelle niemandem, dass er tricksen will. Das Grundgesetz verpflichtet die Verwaltung, nach Recht und Gesetz zu handeln. Das machen wir alle, bis zum Beweis des Gegenteils – und dafür sind Gerichte zuständig“, sagt der Eichwalder Bürgermeister. Auch die Empfehlung, die Kreisumlage im laufenden Haushaltsjahr anzupassen, hält Landrat Stephan Loge für fragwürdig. „Was bringt dnn das für eine Planungssicherheit für die Städte und Gemeinden?“, fragt er und kritisiert: „Das ganz Verfahren ist für die kommunale Selbstverwaltung überhaupt nicht dienlich.“
„Der Eine ist realistisch, der andere baut Wolkenkuckucksheime.“
Stephan Loge, Landrat
All diese Fragen haben 2019, als die beklagte Kreisumlage festgelegt wurde, aus Sicht des Landkreises noch nicht zur Debatte gestanden. Wie Kämmerer Stefan Klein im Finanzausschuss im Januar berichtete, sei er 2019 der Meinung gewesen, dass „der Bedarf rückwirkend zu betrachten ist, weil das die Daten sind, die vorliegen“. Er habe versäumt, die Kommunen anzuschreiben. „Wir hatten aber erkannt, dass ein hoher Finanzbedarf bei den Gemeinden besteht – und deshalb die Kreisumlage von 38 auf 36 Prozent abgesenkt“, erläuterte der Kämmerer. Damit könnten beide – Gemeinden und Kreise – ihrer kommunalen Selbstverwaltung nachkommen. Das Urteil habe aus Sich des Kämmerers unberücksichtigt gelassen, „dass die Höhe der Kreisumlage nicht für eine strukturelle Unterfinanzierung der Gemeinde gesorgt hat. Im Gegenteil: Die Kommunen stehen finanziell gut da.“ 2021 gab es dann ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach der Rückgriff auf die Daten zum Finanzbedarf des Vorjahres für eine Festlegung der Kreisumlage nicht ausreichten. Das wurde auch im aktuellen Urteil im Fall der Kreisumlage von 2019 herangezogen – ein weiterer Kritikpunkt der Kreisverwaltung, der im Antrag auf Berufung geltend gemacht wurde.
Kritik teilweise nicht berechtigt
In einigen Punkten gibt das Urteil des Verwaltungsgerichtes dem Landkreis Recht bzw. weist die vorgebrachte Kritik der Gemeinde Eichwalde als Klägerin ab. „Die Klägerin wendet zu Unrecht ein, der Landkreis Dahme-Spreewald habe die Kreisumlage 2019 in der festgesetzten Höhe teilweise für Aufgaben eingeplant, die nicht seinem Aufgabenbereich zuzurechnen seien“, heißt es im Urteil. Dies betrifft beispielsweise Mittel, die im Förderbereich zwei des Strukturfonds geflossen sind (Mittel zur Erstellung von / Beratung bei Jahresabschlüssen). Auch könne das Gericht den Auffassungen der Klägerin, der Landkreis habe seinen finanziellen Bedarf im Jahr 2019 zu hoch bemessen und der Liquiditätsbedarf des Kreises sei unzulässig auf den mittelfristigen Bedarf ausgeweitet worden, nicht folgen, heißt es im Urteil weiter – von einer „Überbewirtschaftung“ durch den Landkreis könne keine Rede sein.
Ein Dilemma also: Die Art und Weise, den Prozentsatz für die Kreisumlage 2019 festzulegen, war nicht in jedem, wenn auch in vielen Punkten korrekt. Die Kreisverwaltung ist zugleich frei, ein geeignetes Verfahren zu wählen. Erst Gerichte werden im Zweifel feststellen, ob neue Herangehensweisen dienlich sind. An neuen Verfahren arbeiten Kreis und Kommunen nun seit 2019 intensiv. Die Kreisarbeitsgemeinschaft Dahme-Spreewald des Städte- und Gemeindebundes, in der alle Kommunen vertreten sind, hat die Bürgermeister Jörg Jenoch (Eichwalde), Sven Herzberger (Zeuthen) und Frank Deutschmann (Heideblick) entsandt, um mit der Kreisverwaltung neue Wege zu finden. „Wir hatten sehr konstruktive Verhandlungen mit Kämmerer und versuchen das Jahr für Jahr zu verbessern“, berichtet Jörg Jenoch. Es habe viele Jahre eine hohe Liquidität und hohe Rücklagen gegeben beim Landkreis gegeben, das sollte abgebaut werden.
„Seit 2019 sind wir wirklich weitergekommen.“
Stefan Klein, Kämmerer
Weg zu einem einvernehmlichen Verfahren
„Auf diesem Weg befinden wir uns jetzt. Wenn es nun zusätzliche Bedarfe gibt, dann muss man schauen, welche freiwilligen Leistungen man hat und welche Erträge man erhöhen kann“, sagt er mit Blick auf die Kreisfinanzen. „Wir Kommunen werden von der Kommunalaufsicht ja auch darauf hingewiesen, wo man kürzen kann und welche Steuern man hochsetzen kann.“ Die Festsetzung der Kreisumlage für das Jahr 2023 mit 34 Prozent sei auch das Ergebnis des Verhandlungsprozesses zwischen den Städten, Ämtern, Gemeinden und dem Kreiskämmerer und der Beschlussfassung des Kreistages. „Vielleicht war die Klage der Gemeinde Eichwalde gegen die Kreisumlage des Jahres 2019 der Antrieb diesen Prozess noch intensiver und konstruktiver voranzutreiben“, schätzt Jörg Jenoch ein. „Seit 2019 sind wir wirklich weitergekommen. Seitdem gab es immer wieder neue Erkenntnisse“, schätzt auch Kämmerer Stefan Klein ein. Die Kreisumlage wäre aus seiner Sicht heute unanfechtbar.
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