Wer zieht ins Rathaus ein?
Am Sonntag gehen László Ungvári und Frank Nerlich in die Bürgermeister-Stichwahl in Wildau. Wir wollten wissen: Wie halten Sie’s mit dem Dahme-Nordufer, mit den Stadtverordneten und Ihrer Wahlparty? Auch nach Betriebskostenabrechnungen fragten wir…
Von Dörthe Ziemer
In der Hauptwahl am 28. August hatte László Ungvári rund 41 Prozent der Wählerstimmen erreicht, Frank Nerlich 30 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 49 Prozent. Der neue Bürgermeister muss mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen, deshalb kommt es am 18. September zur Stichwahl.
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Blick auf die Internetseiten der Kandidaten.
Die Bebauung des Dahme-Nordufers wurde zu einem der Hauptthemen im Wildauer Bürgermeisterwahlkampf. Deshalb wollten wir von den Kandidaten wissen, wie sie an diesem Thema weiterarbeiten wollen, wenn sie Bürgermeister sind. Aber auch nach dem künftigen Verhältnis zu den Stadtverordneten haben wir sie befragt ebenso wie danach, wo und wie sie ihren Wahlabend verbringen wollen. Nachfragen gab es außerdem zu ihren Präsenzen in den Sozialen Medien und – an László Ungvári gerichtet – zu seinen Äußerungen zum Thema Betriebskostenabrechnungen.
Wie halten Sie’s mit dem Dahme-Nordufer?
Nach einer bereits vor zwei Jahren beschlossenen und im Juli durchgeführten Einwohnerversammlung, Einträgen im Beteiligungsportal Maerker Plus sowie einer vom Investor beauftragten Umfrage durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa hatten die Stadtverordneten am 23. August erstmals darüber beraten, wie sie mit den Ergebnissen nun umgehen möchten. In der Sitzung wurde festgehalten, welche offenen Fragen in welchen Fachausschüssen diskutiert werden sollen – dies wird nun im aktuellen Sitzungslauf abgearbeitet.
Zu den Diskussionspunkten gehörte u.a. die Frage, welchen Verfahrensstand das Projekt hat und welche vertraglichen Vereinbarungen bereits bindend sind. Dazu gab es in der Einwohnerfragestunde auch eine Wortmeldung von Christine Stüber-Errath. Im Verlauf der Sitzung erfolgten jedoch keine Antworten. Frank Vulpius (Fraktion Bürger für Wildau / Grüne) fragte, ob die Entscheidung zum Bebauungsprojekt aktuell nicht die falsche sei und ob nicht erst geklärt werden müsse, inwiefern die Sanierung des kontaminierten Geländes aus eigener Kraft erfolgen könne. Betont wurde, u.a. von Thomas Wilde (SPD), dass die bevorstehende Aufstellung eines Bebauungsplans ergebnisoffen erfolgen solle und alle Fragen beantworten müsse.
Heinz Hillebrand (Die Linke) und Martin Stock (CDU) arbeiteten sich an der Frage ab, wo und wie „Volkes Stimme“ zu vernehmen sei. Ein Bürgerentscheid über die Bebauung des Dahme Nordufers ist nach Paragraf 15, Absatz (5) Satz 9 der Brandenburgischen Kommunalverfassung ausgeschlossen. Martin Stock sagte, aus seiner Sicht unterscheide sich das Bild aus der Forsa-Umfrage einerseits von dem aus der Einwohner-Versammlung sowie den MaerkerPlus-Einträgen andererseits. Die Stadtverordneten hätten dies – auch „im Respekt vor dem Projektträger“ – nun zu bewerten. Heinz Hillebrand erwiderte, dass sich jeder Stadtverordnete nun ausführlich mit dem Projekt beschäftigt habe und eine Entscheidung „im Interesse der Stadt, die die Meinung der Bürger berücksichtigt,“ zu treffen sei. Er sah die Einwohnerversammlung (die „von den Projektgegnern gut vorbereitet“ gewesen sei), die Forsa-Umfrage und MaerkerPlus-Einträge als gleichwertige Formen an, um festzustellen, „wie Bürger denken“.
Zum Ende der Diskussion stellte Manfred Sternagel (SPD) fest, dass auch Überlegungen zu Alternativen zur Wohnbebauung möglich sein müssten. Er verwies auf den Vorschlag von Gerhard Janßen, Chef der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Dahme-Spreewald (WFG), dass sich dort auch weitere Technologiefirmen ansiedeln könnten. „Die Idee stand in der Diskussion, lange bevor die Wohnbebauung ins Gespräch kam“, bestätigte Gerhard Janßen gegenüber Wokreisel – sie stamme ursprünglich vom früheren Wildauer Bürgermeister Uwe Malich. Die WFG sei zuständig für die Nachnutzung der Schwermaschinenbaugebäude in Wildau – dort haben sich Gründerzentren und Technologiefirmen angesiedelt. „Die dortige Entwicklung hat ein absehbares Ende, daher muss die Gemeinde sich überlegen, ob sie das fortsetzen möchte“, erklärte er. Technologie- und Hightech-Firmen würden jedoch nicht ständig vor der Tür stehen – da brauche es eine passende Gelegenheit und den Rückhalt in der Kommune, etwas entwickeln zu wollen und dann auch Grundstücke parat zu haben. Umgekehrt würde das bedeuten, solche Grundstücke auch mal eine gewisse Zeit liegen zu lassen, bis der „lucky punch“, der glückliche Treffer, gelinge. Er würde es begrüßen, sagte Gerhard Janßen, wenn die Bereitschaft in der Kommune dazu da wäre, denn: „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich da im Umfeld des Flughafens BER etwas tut, hat sich erhöht.“
Bleibt die Frage, bis wann die kontaminierte Fläche saniert werden muss. Hierzu nannte der Landkreis Dahme-Spreewald auf Wokreisel-Anfrage keinen Termin. Die Sanierungspflicht betreffe die Grundstückseigentümerin, die Wildauer Wohnungsbaugesellschaft (Wiwo). „Der vorliegende Sanierungsplan ist auf die städtebauliche Konfiguration des Investors Bauwert abgestimmt“, heißt es weiter. „Hierdurch werden Synergieeffekte erreicht, da einzelne Elemente der angedachten Bebauung als Sicherungselemente fungieren.“ Der Investor Bauwert möchte dort, wo sich Straßen und Plätze befinden, die Kontamination verkapseln statt sie zu entsorgen, um so die Kosten gering zu halten. Sollten die bestehenden Planungen geändert oder gänzlich verworfen werden, würde eine Überarbeitung oder Neuaufstellung des Sanierungsplanes erforderlich sein – mit entsprechendem Zeitaufwand. Möglichkeiten der Sanierung gebe es viele, jedoch sei „mit der Anlage einer Grünfläche ein erheblich höherer Sanierungsaufwand verbunden“ – der Grund dafür „sind fehlende Synergien aus der für die Sanierung zu berücksichtigenden Bebauung“, teilt der Landkreis mit.
Vor diesem Hintergrund muss der neue Bürgermeister ab 19. September einen Meinungsbildungsprozess moderieren, der den Aufstellungsbeschluss vom 30. April 2019 umsetzt. In diesem hatten die Stadtverordneten vor nunmehr über drei Jahren ihren Willen zur Aufstellung eines Bebauungsplans festgehalten. Der Vorentwurf, der üblicherweise in einen Billigungs- und Offenlegungsbeschluss mündet, also jenen Teil des Verfahrens, in dem die Stadtverordneten den Vorentwurf billigen und diesen der Öffentlichkeit zugänglich machen, hat die Stadtverordnetenversammlung dann nicht mehr passiert.
Doch vor allem die Verwaltung brauche Planungssicherheit, sagte Marc Anders, kommissarischer Bürgermeister, zum Abschluss der Diskussion am 23. August. „Wir müssen nach Recht und Gesetz handeln, deshalb warten wir auf Ihre Zuarbeit“, sagte er und verwies darauf, dass das Rathaus, gemessen an der Einwohnerzahl, unterbesetzt sein. „Wir wollen unsere Leistungsträger nicht verheizen, und wir können mit den Gehältern in Berlin oder beim Landkreis nicht mithalten“, appellierte er an die Stadtverordneten. Bleibt die Frage für den neuen Bürgermeister, was seine erste Amtshandlung in Bezug auf den Entscheidungsprozess zum Projekt Dahme-Nordufer sein wird und in welche Richtung sich der Prozess seiner Ansicht nach entwickeln werde.
Frank Nerlich:
Das Dahme-Nordufer ist aus meiner Sicht kein prioritäres Projekt. Ich bin der Meinung, dass es gezielt immer wieder in den Wahlkampf eingespielt wurde. Wir haben nach meinem Kenntnisstand einen Verkaufswert des Grundstücks von zehn Millionen Euro. Die Sanierungskosten sollen acht bis neun Millionen betragen, wenn die Kontamination zum Teil verkapselt wird. Die vollständigen Sanierungskosten, so ist mir bekannt, würden zirka 24 Millionen Euro betragen. Enno von Essen [Bürgermeisterkandidat der SPD in der Hauptwahl – d.Red.] geht davon aus, dass der Grundstückswert nach der jetzigen Marktlage etwa bei hundert Millionen liegen könnte. Da kann man jetzt vielleicht 20 Millionen abziehen oder draufpacken, aber so als Kalkulationsgröße ist das erst mal ganz passabel. Wenn man dann noch rechnet, dass Wohnungen in Berlin, in dieser Lage, für 8.500 bis 10.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche angeboten werden und wir von mehreren hundert Wohnungen sprechen, bleibt nach Abzug der Baukosten wahrscheinlich eine dreistellige Millionensumme als Reingewinn übrig. Das ist natürlich äußerst bedenklich.
Wir haben hier ein Grundstück im Berliner Umland, was so kaum noch zu finden ist. Ich würde deshalb nicht für die Fortführung der bisherigen Verträge plädieren, also das werde ich unter allen Umständen verhindern. Alle Optionen müssen nochmal abgewogen werden. Es muss natürlich mit dem bisherigen Investor Bauwert gesprochen werden, aber auch darüber hinaus. Es gibt ja auch Bundesbehörden, es gibt große Firmen, die nach Flächen suchen. Das alles muss auf den Tisch, um zu entscheiden, wie dort weiter verfahren werden kann. Ich spreche mich also nicht gegen eine Bebauung komplett aus. Aber ich habe ein Riesenproblem damit, dass wir quasi über den Tisch gezogen werden sollten, wenn man sich das mal ansieht.
Man könnte das Grundstück auch verpachten. Man könnte selber sanieren, was wir wahrscheinlich sogar machen müssen. Wir werden irgendwann in diesen Sanierungszwang kommen. Und dann könnte man es für ein gutes Geld weiterverkaufen oder selbst bebauen. Das muss man alles prüfen. Und von diesem Geld, das sage ich als jetziger Vorsitzender des Bildungs- und Sozialausschusses – da tränt mir das Auge, könnten wir eine Schule bezahlen oder zwei, wir könnten die Kita bezahlen, wir können alles Mögliche damit bezahlen. Wir müssen uns nicht total verschulden.
Also wer diesen jetzigen Deal eingeht, der geht sehenden Auges mit der Stadt absolut verantwortungslos um. Deshalb sage ich auch ganz offen: Es wurde eine auffällige Öffentlichkeitsarbeit durch den Projektträger dazu betrieben, gerade so, als ob das sehr lohnend sein dürfte.
László Ungvári:
Diese Frage sollte besser Herr Sven Schulze als Chef der Wildauer Wohnungsbaugesellschaft (Wiwo) beantworten. Er ist seit Monaten mit der Bauwert AG in Verhandlungen, wie er auch öffentlich bestätigt hat. Über den Stand der Dinge hat Herr Schulze bisher keine Auskunft gegeben. Im Übrigen entscheiden die Stadtverordneten bzw. die Stadtverordnetenversammlung über das Projekt.
Ich werde mir natürlich ein intensives Bild darüber machen, was zwischen September 2020 und November 2020 geschehen ist. Damals gab es zu dem Projekt seitens der Stadt und der Wiwo zunächst eine klare und breite Zustimmung, dann wurde das Projekt zurückgestellt und wird nun heute von denselben Personen bekämpft. Es sollte eine transparente Aufklärung erfolgen. Immerhin liegt hier auch ein erhebliches finanzielles Risiko für die Stadt, welches wir uns nicht leisten können.
Wie gehen Sie auf die Stadtverordneten zu?
Immer wieder sind auch die Stadtverordneten in Wildau in der Kritik. Häufig wurde kritisiert, u.a. von der Bürgerinitiative für Demokratie und Transparenz, dass die Stadtverordnetenversammlung zu stark von einer „12:7-Mehrheit“ bestimmt sei – also einer Mehrheit aus den Fraktionen von SPD und CDU/FDP, die nur die Beschlussvorlagen der Bürgermeisterin absegne. Carsten Kröning, Nicht-Wildauer und Chef der Wohnungsbaugenossenschaft Wildau, forderte vor diesem Hintergrund im November 2021: „Einen Neustart gibt es nur, wenn neben der Bürgermeisterin auch die Stadtverordnetenversammlung zurücktritt.“ László Ungvári spricht gar von einer „12:7-Maschinerie“.
Beide Bürgermeister-Kandidaten gehören quasi zur Opposition: Frank Nerlich als Stadtverordneter der kleinsten Fraktion Bürger für Wildau / Grüne und László Ungvári als außerparlamentarischer Kritiker und Mitglied der Bürgerinitiative. Wie wollen sie aus dieser Position heraus auf die Stadtverordneten zugehen?
László Ungvári
Ich werde mit allen Stadtverordneten emphatisch und auf Augenhöhe kommunizieren, auch mit den Mitarbeitern der Stadtverwaltung. Miteinander reden, anstatt übereinander, ist mein oberstes Gebot.
Frank Nerlich:
Dazu habe ich schon mehrfach gesagt, dass ich als Stadtverordneter immer eine Sachpolitik betrieben habe. Im Bildungs- und Sozialausschuss gab es keine riesengroßen Querelen. Wir haben da immer sachliche Themen, zu denen wir uns gut austauschen können. Ich habe auch den Eindruck, dass es auch immer gelungen ist, Mehrheitsbeschlüsse zu fassen, auch zu Themen, die unsere kleine Fraktion als Beschlussvorlage auf den Tisch gebracht hat. Sogar einstimmige Beschlüsse haben wir dort gefasst. Nachdem die Abwahl dieses Jahr vorüber war, hat sich die Stimmung tatsächlich auch nochmal deutlich gebessert. Die persönlichen Befindlichkeiten sind noch ein bisschen mehr zurückgestellt worden, so nehme ich das zumindest wahr und ich kann ja nur für mich sprechen.
Die neue Sitzungsrunde hat ja bereits begonnen, ich habe bis jetzt an allen Fachausschüssen teilgenommen und mir wurde durch die Mehrheitsfraktionen bereits Gesprächsbereitschaft signalisiert. Also ich sehe da sehr optimistisch in die Zukunft. Sicherlich muss man den ein oder anderen noch abholen, weil es da unterschiedliche Meinungen gibt, aber wollen wir doch mal ehrlich sein: Eine Stadtverordnetenversammlung ist doch genau der Raum, wo unterschiedliche Meinungen aufeinandertreffen sollen und wo Diskussionen stattfinden.
Wie verbringen Sie den Wahlabend?
László Ungvári war nach Informationen der Märkischen Allgemeinen Zeitung der einzige, der am Abend der Hauptwahl zu einer Wahlparty eingeladen hatte – in der Villa am See, jenem Ort, an dem die Bürgerinitiative auch häufiger zu ihren Veranstaltungen einlud, u.a. zur Vorstellung des Bürgermeister-Kandidaten László Ungvári. Wir wollten wissen, wo die Kandidaten eventuell am Wahlabend zu treffen sind und wie sie dies finanzieren.
Frank Nerlich:
Wir haben schon zur Hauptwahl eine kleine private Feier ausgerichtet, genauso werden wir das jetzt auch machen. Wir werden mit den Unterstützern, Freunden und Bekannten zusammensitzen, die wir dazu auch direkt einladen. Das wird privat in unserem Haus sein. Sofern es sich um einen Sieg handelt, werde ich schauen, dass wir zusammen mit der Ernennung zum Bürgermeister möglicherweise im Volkshaus eine separate Möglichkeit schaffen, Glückwünsche zu entrichten. Aber das wird keine große Feier sein.
Ich meine, wir sollten jetzt die Arme hochkrempeln. Es gibt viel zu tun: Es sind ist ja nicht nur die Themen, die wir jetzt gerade angesprochen haben, wir haben die Schule, wir haben die steigenden Energiekosten, das Wildorado. Ich glaube die Zeiten sind momentan nicht richtig für große Feiern.
Ich hätte auch, ehrlich gesagt, nicht das Geld dazu. Ich möchte das auch nochmal betonen: Ich habe bis jetzt alles selbst bezahlt. Ich habe keinerlei Angebote angenommen, die mir reichlich gemacht worden sind, auch jetzt noch. Ich denke, das ist auch richtig so.
László Ungvári:
Am Wahlabend würde ich mich natürlich freuen, wenn meine Familie, Freunde und Unterstützer an meiner Seite sind. An den Kosten für das Zusammensein werde ich alle Gäste beteiligen und eine Spendenbox aufstellen. Den Rest bezahle ich privat.
Soziale Medien und Betriebskostenabrechnungen
Einige Fragen haben wir den Kandidaten zu verschiedenen Themen gestellt.
Frank Nerlich fällt besonders dadurch auf, dass er in den Gruppen der Sozialen Medien nicht so präsent ist wie andere Bürgermeisterkandidaten, obgleich er eigene Twitter-, Facebook- und Instagram-Präsenzen hat. Wir wollten wissen, warum, und wie das bei den Menschen aus seiner Sicht ankommt. „Ich halte mich aus diesen ganzen Schlammschlachten ganz bewusst raus, weil ich sie nicht für zielführend halte“, sagt er. Ich finde, wenn man sich etwas zu sagen hat, dann sollte man auch das persönliche Wort an jemanden richten, auch gerade, wenn es um kritische Auseinandersetzungen geht. Sich dann noch über andere zu echauffieren, das geht für mich gar nicht, das hat keinen Stil, und das ist für mich zukünftig kein Stil.“
Auch László Ungvári hat eine eigene Facebook- und Instagram-Präsenz, die er eigens als Bürgermeisterkandidat aufgesetzt hat, während seine vorherigen Profile fortbestehen. Auf Facebook hat er auf den Wokreisel-Artikel „Kandidat wider Vertrauen“ reagiert. Er postete eine längere „Pressemitteilung“ und ein „persönliches Statement“ sowie den Wortlaut des gerichtlichen Vergleichs und ein Schreiben des kasachischen Bildungsministeriums. Facebook-Nutzer „Tim Schneider“ wiederum setzte sich mit László Ungváris Erläuterungen und dem Vergleich kritisch auseinander – dieser Kommentar wurde jedoch inzwischen gelöscht. Warum – das wollten wir von László Ungvári gern wissen: „Tut mir leid, aber ich kenne den genannten Herrn nicht. Ich habe von ihm keine Post erhalten“, antwortete er.
Wissen wollten wir von László Ungvári außerdem, ob er sich von der Wildauer Wohnungsgesellschaft (Wiwo) einmal eine Betriebskostenabrechnung erklären lassen hat. In einem Video, in dem er zur Teilnahme an der Stichwahl aufruft, berichtet er von einem Freund, der ihm aufgeregt von seiner Betriebskostenabrechnung 2021 erzählt hat. Er müsse 1.000 Euro nachzahlen – „obwohl es 2021 noch keine Krise gab“, wie der Kandidat im Video feststellt. Die Abrechnungen seien ohne Begründung rausgeschickt worden und es sei noch mehr Menschen so gegangen: „Massenweise Bürgerinnen und Bürger beschweren sich aus dem Mietbereich der Wiwo bei mir, dass sie solche Schreiben bekommen und zurückschreiben, es kommt keine Reaktion“, sagt der Kandidat. Er wolle nach der Wahl unter die Lupe nehmen, „welche einzelnen Positionen stecken in den einzelnen Abrechnungen – vielleicht sind auch Anwaltskosten darin versteckt, das wissen wir ja nicht“.
Zu diesem Thema teilt Sven Schulze, Geschäftsführer der Wiwo, auf Wokreisel-Anfrage mit, dass schätzungsweise 98 Prozent der Mieter von Nachzahlungen betroffen seien. „Diese bewegen sich im Durchschnitt in einer Größenordnung zwischen 200 Euro und 400 Euro für die Abrechnungsperiode 1.1. bis 31.12.2021. Natürlich gibt es einzelne Ausschläge in beide Richtungen“, schreibt er. Diese würden sich beispielsweise aus Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung, aber auch durch Nachzahlungsbeträge wegen zu niedriger Bemessungen von Vorauszahlungen ergeben, wenn beispielsweise keine Vergleichszeiträume bei Neubauten vorliegen. Aber auch das individuelle Nutzerverhalten der Mieter bei Heiz- und Wasserkosten spiele eine Rolle. Die Nachzahlungen liegen Sven Schulze zufolge in den gestiegenen Heizkosten begründet, „die bereits in 2021 vorlagen (und nicht erst mit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022). Die gestiegenen Gaspreise sind ein weiterer Grund, warum die zukünftigen Vorauszahlungen entsprechend bereits jetzt monetär bewertet und weiterberechnet werden“.
Zu den Abrechnungen wurden ausführliche Erläuterungen mitgeliefert, u.a. mit Benennung der Kostenart und Erläuterung der Kostenpositionen. Zudem gab es ein separates Schreiben zur Anpassung der Vorausleistungen in 2022 sowie ein weiteres Schreiben mit nochmaliger Erläuterung. Nach 769 verschickten Abrechnungen (per Stichtag 31.8.2022) sind Wiwo-Angaben zufolge 26 Widersprüche eingegangen sowie telefonische Nachfragen. Ratenzahlungsvereinbarungen würden abgeschlossen und Beratungs- und Hilfsangebote vermittelt, schreibt Sven Schulze.
Rechts- und Beratungskosten gehören nicht zu den Betriebskosten. Zutreffend ist, teilt Sven Schulze mit, dass die Anwalts- und Beratungskosten der Wiwo im Jahr 2021 im sechsstelligen Bereich lagen, während sie 2019 unter 50.000 Euro betrugen. „In den Kalenderjahren 2020 und 2021 stiegen diese deutlich an“, so der Wiwo-Geschäftsführer. „Grund für diese Mehrkosten warten gerichtliche Auseinandersetzungen des ehemaligen Geschäftsführers mit der Stadt und dem Aufsichtsrat sowie darüber hinaus Ermittlungsmaßnahmen infolge des Ausscheidens des ehemaligen Geschäftsführers. Diese normalisieren sich gegenwärtig wieder auf das Niveau der Vorjahre.“
Auf unsere Frage, ob er mit der Wiwo vor der Videoaufzeichnung über die Betriebskostenabrechnungen gesprochen hat, antwortet László Ungvári:
In unserer Demokratie herrscht Meinungsfreiheit. Ich habe meine ganz persönliche Meinung gesagt. Es ist natürlich meine Pflicht, nach der erfolgreichen Wahl, mir genauestens anzuschauen, welche Ursachen die zum Teil massiven Nachzahlungen haben. Gleichzeitig werde ich – gemeinsam im Team mit allen Beteiligten – nach Lösungen suchen. Die steigenden Kosten für den eigenen Wohnraum müssen für die WildauerInnen und Wildauer weiterhin leistbar sein.
Das Video, in dem László Ungvári zu den Betriebskostenabrechnungen Stellung nimmt, ist auf dem Youtube-Kanal „Wildau - Stadtgeschehen & Entwicklung“ zu finden, den es seit dem 25. April gibt. Am 21. April wurde László Ungvári als Bürgermeisterkandidat erstmals vorgestellt. Allerdings gibt es dort kein Impressum*, was nicht nur gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt, sondern den Zuschauer im Unklaren darüber lässt, wer für den Kanal verantwortlich ist. Sichtbar ist, dass mit Thomas Kuhn, Berthold Pohl, Frank Kerber und René Schuboth Mitglieder oder Wegbegleiter der Bürgerinitiative für Demokratie und Transparenz (BI) auf dem Kanal aktiv sind. Die BI hatte Ende 2021 das Abwahlverfahren gegen die frühere Bürgermeisterin Angela Homuth auf den Weg gebracht. Thomas Kuhn, der mehrfach als Moderator in den Videos zu sehen ist, schreibt auf Wokreisel-Nachfrage, wer für den Kanal verantwortlich sein könnte: „Das weiß ich nicht genau, da ich mich mit diesen Dingen nicht auskenne.“ Christine Stüber-Errath, Mitgründerin der BI und Vorsitzende des dahinter stehenden Vereins Demokratie und Transparenz für Wildau e.V., wolle nachfragen, „ob es eine Information dazu gibt“. Auch die BI selbst wirbt auf ihren Seiten für den Youtube-Kanal. Das jüngste Video umfasst Statements von Wildauern, die erzählen, wen sie wählen. Auch mindestens vier Nicht-Wildauer sagen, wen sie wählen oder empfehlen würden. Bis auf eine neutrale Äußerung sprechen sich alle für László Ungvári aus.
Frank Nerlich ist derweil beim regionalen Sender KW-TV präsent. Dort erzählt er, was er auch Wokreisel gegenüber berichtet hat: Ihm sei mehrmals und schon vor der Hauptwahl nahegelegt worden, er solle von seiner Kandidatur zurücktreten. „Ich solle so drei bis vier Jahre mit László Ungvári zusammenarbeiten, um dann gestärkt das Amt anzutreten, riet man mir“, erzählt er. „Das war keiner meiner Wählerinnen oder Unterstützer, sondern Unterstützer von László Ungvári oder Menschen aus seinem Umfeld. Ich finde das sehr befremdlich.“ Zu möglichen Motiven für so eine Strategie sagt er: „Wenn man so etwas macht, dann hat man einen Plan. Was dieser Plan ist, darüber möchte ich nicht spekulieren.“
* Das Impressum wurde nach der Veröffentlichung dieses Artikels ergänzt. Verantwortlich für den Inhalt des Youtube-Kanals "Wildau - Stadtgeschehen & Entwicklung" ist der Verein "Demokratie und Transparenz für Wildau e.V.", der auch im Impressum der Bürgerinitiative für Demokratie und Transparenz steht. Hauptzweck des Vereins ist laut Satzung "die Förderung von Maßnahmen zur Erhaltung und Stärkung demokratischer Prozesse in der Stadt Wildau".
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