Hilft Pizza der Politik?
Der Landtagswahlkampf ist sichtbar in vollem Gange, doch was bleibt von der Präsenz derer, die um Wählerstimmen buhlen? Vor allem die etablierten Parteien verlieren Zuspruch vor Ort. Was tun sie dagegen?
Von Andreas Staindl
Parteienpräsenz im ländlichen Raum? Auf Wahlplakaten ja, auch auf bunten Wurfsendungen. Aber sonst? Im Alltag der Menschen? Abseits von Wahlkämpfen und dem Buhlen um Wählerstimmen? Parteien scheinen sich zurückzuziehen aus dem öffentlichen und auch dem politischen Raum im Landkreis Dahme-Spreewald. Es gibt immer mehr Gemeindevertretungen, in denen Bürgerlisten, der Heimatverein oder die Feuerwehr vertreten sind. In der Stadtverordnetenversammlung in Lieberose sitzt gar keine Partei mehr mit am Tisch.
Welche Politik machen aber Parteien, wenn sie sich vom Wähler immer weiter entfernen? Woher wissen sie überhaupt, wo den Bürgern der Schuh drückt, welche Sorgen und Nöte sie haben? Nutzen Parteimitglieder ihr ehrenamtliches Engagement in Vereinen dafür? Erwerben sie dort ihr Wissen, etwa über Missstände? Und fließt dieses dann in ihre politische Arbeit ein?
„Wir als Partei kommen kaum noch an die Leute ran, auch nicht mehr über öffentliche Veranstaltungen.“
Hans Lamich, Die Linke
Der Luckauer Hans Lamich ist schon immer pragmatisch: „Ich suche praktische Lösungen, denn es geht mir um die Sache und um Unterstützung von Menschen, die Hilfe benötigen.“ Er ist Mitglied im Stadtverband der Linken in Luckau, saß viele Jahre in der Stadtverordnetenversammlung der Berstestadt. Und er engagiert sich im Verein „Mensch Luckau“, bringt sich dort als Koordinator für Sport und Kultur ein. Der Verein bietet Begegnung und Beratung für Menschen aller Nationen, ist wichtiger Partner auch für Flüchtlinge. Und für diese setzt sich Hans Lamich ein, ist nach eigener Aussage im engen Kontakt mit der Beauftragten für Migration und Integration des Landkreises Dahme-Spreewald Antje Jahn. Nicht als Parteimitglied wie er sagt, sondern als Mensch. „Ich rede mit den Leuten, nutze dafür gerne auch sportliche und kulturelle Aktivitäten. Das ist meine Art, etwas für andere Menschen zu tun.“
Auch wenn es anders aussieht: Der Partei Die Linke droht der Weg in die Bedeutungslosigkeit. Foto: Andreas Staindl
Seine Partei Die Linke spielt aus seiner Sicht kaum noch eine gesellschaftspolitische Rolle im Süden des Landkreises Dahme-Spreewald. „Wir als Partei kommen kaum noch an die Leute ran, auch nicht mehr über öffentliche Veranstaltungen. Auch das Interesse der Menschen an Stadtverordnetensitzungen ist überschaubar“, sagt Hans Lamich. „Mein Engagement im Verein ‚Mensch Luckau‘ ist für mich eine Möglichkeit, von Problemen zu erfahren, diese aufzunehmen und in die Kommunalpolitik zu tragen.“ Doch reicht das, um auch als Partei Die Linke die Menschen zu erreichen und zu überzeugen oder geht es weiter in die Bedeutungslosigkeit? Hans Lamich will das nicht hinnehmen und sagt: „Wir geben nicht auf, machen weiterhin auch Straßenwahlkampf.“
Bündnis '90 / Grüne ziehen sich ebenfalls nicht zurück, auch wenn sie ordentlich Federn lassen mussten während der vergangenen Kommunalwahl, kaum noch oder nur vereinzelt in kommunalen Vertretungen präsent sind. „Wir machen weiterhin Gesprächsangebote, versuchen, die Leute mit unseren Themen zu erreichen“, sagt Gerd Kaufmann. Der Ansprechpartner der Ortsgruppe Luckau/Heideblick der Bündnis-Grünen und Beisitzer im Kreisvorstand beschreibt die Herausforderungen, vor denen Parteien stehen, so: „Die Menschen ziehen sich zunehmend aus dem sozialen Raum zurück. Es wird immer schwerer, sie zu erreichen.“
„Die Menschen ziehen sich zunehmend aus dem sozialen Raum zurück. Es wird immer schwerer, sie zu erreichen.“
Gerd Kaufmann, Bündnis '90/Grüne
Auch Gerd Kaufmann engagiert sich im Verein „Mensch Luckau“, ist dessen Vorsitzender, zudem in der evangelischen Kirchengemeinde vor Ort aktiv. Dinge, von denen er dort erfährt, nimmt er mit in seine politische Arbeit wie er sagt. Doch wie soll es gelingen, möglichst viele Bürger für grüne Themen zu begeistern? „Wir müssen Leute gezielt ansprechen, beispielsweise auf Bahnhöfen aktiv werden“, sagt Gerd Kaufmann. Einfach wird das nicht, denn die Grünen haben nur noch wenige Mitglieder im Süden des Landkreises Dahme-Spreewald, wie er sagt.
Die Grünen haben es aktuell nicht leicht, mit ihren Themen die Menschen zu erreichen. Foto: Andreas Staindl
Die CDU ist personell besser aufgestellt, zählt zahlreiche Mitglieder etwa im Stadtverband in Lübben. Christdemokraten sitzen in zahlreichen kommunalen Gremien und das in Fraktionsstärke. Die CDU stellt mit Jens Richter den Bürgermeister in Lübben, mit Olaf Schulze aus Luckau den Vorsitzenden des Kreistags. „Unsere Mitglieder im Stadtverband sind ehrenamtlich vernetzt“, sagt Jens Richter, Vorsitzender des Stadtverbands der CDU in Lübben. „Daraus folgen oftmals auch Anregungen, die teils in den Fachausschüssen besprochen oder mit den jeweiligen Fachbereichsleitungen thematisiert werden.“ Gerade im kommunalen Bereich seien diese Netzwerke unabdingbar, da beispielsweise bei Beschlussvorlagen oder Satzungsüberarbeitungen die Adressaten direkt befragen werden könnten. „Klassische Beispiele“, so Jens Richter, „sind etwa die Entschädigungssatzung für die Freiwillige Feuerwehr oder Satzungen, die Auswirkungen auf den Vereinssport haben“.
„Unsere Mitglieder im Stadtverband sind ehrenamtlich vernetzt. Daraus folgen oftmals auch Anregungen, die teils in den Fachausschüssen besprochen oder mit den jeweiligen Fachbereichsleitungen thematisiert werden.“
Jens Richter, CDU
Jens Richter hält dennoch Parteiarbeit für „wichtig im kommunalen Bereich, obwohl aktuell feststellbar ist, dass Parteien in der kommunalen Arbeit während der vergangenen Jahre kaum noch wahrnehmbar sind“. Die Arbeit der Kommunalpolitik ist seiner Ansicht nach nicht von Parteien abhängig, „da lösungs- und sachorientiert gearbeitet wird, also im Sinne der Bürgerschaft und der Stadt“. Der Bürgermeister sieht Diskussionen in Vereinen „als dienlich, aber auch von Interessen geprägt. Was in Vereinen diskutiert wird, ist eine von mehreren Sichtweisen.“
Wie will die christdemokratische Partei Menschen von außerhalb von Vereinen erreichen, um für sich zu werben? Sind Wahlkampfstände und Plakate noch zeitgemäß? „Wahlkampfstände absolut“, antwortet Jens Richter, „sie sind ein wichtiger Ort, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Plakate an Laternen dagegen ist ein strittiges Thema, obwohl die Wahrnehmung im öffentlichen Raum gegeben ist. Großaufsteller sind für uns immer noch zeitgemäß.“ Der CDU-Stadtverbandsvorsitzende sagt zudem, dass „wir stärker die sozialen Medien nutzen wollen, um wahrgenommen zu werden oder mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Allerdings ist diese Arbeit sehr aufwendig und wird im Ehrenamt erledigt. Wie wir dieses Thema umsetzen im Stadtverband, ist ein ständiger Diskurs.“
Christiane Zimmermann (FDP) ist die Vereinsarbeit ebenso vertraut wie das Engagement in der Kommunalpolitik. Sie lebt und arbeitet in der Stadt Luckau, ist Mitglied im Radsportverein und im Pferdesportverein, sitzt für ihre Partei in der Luckauer Stadtverordnetenversammlung und im Vorstand des Ortsverbands der Freien Demokraten. Nimmt sie Anregungen und Hinweise aus ihrer Vereinsarbeit mit in ihre politische Tätigkeit? Christiane Zimmermann will Verein und Politik schon gerne trennen und sagt: „Im Verein möchte ich gerne abschalten, am liebsten nur meinem Hobby nachgehen. Doch Gespräche und politische Themen lassen sich auch unter Vereinsmitgliedern nicht vermeiden. Ich nehme kommunale Themen natürlich mit in meine kommunalpolitische Arbeit – aber nur solche, die für die Orte der Stadt Luckau relevant sind.“
„Wenn Beschlussvorlagen gut sind, können wir doch nicht dagegen stimmen, nur weil die AfD auch dafür ist oder den Vorschlag sogar eingebracht hat.“
Christiane Zimmermann, FDP
Reicht das, um der Politik-Müdigkeit der Menschen entgegenzutreten? Christiane Zimmermann setzt auch weiterhin auf öffentliche Veranstaltungen und Präsenz: „Bürgernähe ist mir wichtig.“ Und, dass Politik für die Menschen gemacht wird – unabhängig von politischen Ansichten. Die so genannte Brandmauer zur AfD hält sie deshalb für „nicht hilfreich. Wenn Beschlussvorlagen gut sind, können wir doch nicht dagegen stimmen, nur weil die AfD auch dafür ist oder den Vorschlag sogar eingebracht hat“.
Die Alternative für Deutschland hat allerdings keinen Vertreter in der Luckauer Stadtverordnetenversammlung, ist jedoch in zahlreichen kommunalen Gremien im Landkreis Dahme-Spreewald vertreten – und das teilweise zahlenmäßig stark. Wokreisel hat auch die AFD im Dahme-Spreewald-Kreis gefragt, ob Mitglieder etwa Hinweise aus Vereinen mit in die politische Arbeit nehmen, ob öffentliche Werbeaktionen wie Plakate und Wahlkampstände noch zeitgemäß sind, auch, welche Wege die AfD plant, die Menschen zu erreichen. Fragen, die auch Mitgliedern anderer Parteien gestellt wurden. Der Kreisvorstand der AFD im Landkreis Dahme-Spreewald hat nicht geantwortet.
„Wir als Parteimitglieder müssen raus aus der Anonymität, unsere Präsenz erhöhen und viel mehr mit den Leuten reden.“
Nadine Graßmel, SPD
Nadine Graßmel von der SPD hat kein Problem, ihre Sicht auf die angefragten Dinge zu benennen. Auch sie sieht Veränderungen in der Politik: „Sie war eigentlich immer ein Selbstläufer, doch das ist vorbei. Wir als Parteimitglieder müssen raus aus der Anonymität, unsere Präsenz erhöhen und viel mehr mit den Leuten reden“, sagt Nadine Graßmel, „Straßenwahlkämpfe sind eher symbolische Aktionen“. Sie setzt auf „alternative Formate, etwa Leseabende mit Musik“, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Auch „Pizza und Politik“ ist eine ungewöhnliche Veranstaltungsform deutschlandweit, mit der vor allem junge Leute für Politik interessiert werden sollen. Das Interesse vor einigen Wochen in Luckau hielt sich in Grenzen. Mitglieder und Sympathisanten von Parteien blieben weitgehend unter sich.
Auch die SPD buhlt mit alternativen Formaten um die Aufmerksamkeit der Bürger. Foto: Andreas Staindl
Nadine Graßmel sucht dennoch weiterhin den Gedankenaustausch mit den Bürgern. Von den Sorgen der Menschen erfährt sie auch durch ihre Mitgliedschaft in mehreren Vereinen, etwa dem Förderverein des Bohnstedt-Gymnasiums in Luckau und dem Sportverein Einheit Luckau. Nadine Graßmel will diese Hinweise mit in ihre politische Arbeit nehmen. Sie hatte vor einigen Wochen auf Anhieb den Einzug in die Luckauer Stadtverordnetenversammlung und den Kreistag des Landkreises Dahme-Spreewald geschafft, kandidiert für die SPD für den Brandenburger Landtag.
Die nächsten Termine für „Pizza und Politik“, jeweils 18 bis 20 Uhr:
21. August, Goyatz, Netto Parkplatz
27. August, Golßen, Marktplatz
4. September, Halbe, Bahnhofsvorplatz
12. September, Lieberose, Marktplatz
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