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Bürgerwille und Brandmauer

Die Wahl des Kreistagspräsidiums wird in Sozialen Medien diskutiert: Hat die CDU ihren Kandidaten mit AfD-Stimmen durchgebracht? Ist der „Bürgerwille“ berücksichtigt? Und was ist eigentlich aus der „Brandmauer“ geworden? 

 

Von Dörthe Ziemer

 

„Für die Bürger, für die Kommune“ – so oder ähnlich begannen oder endeten viele Sätze im Wahlkampf, und auch nach der Wahl betonen viele Gewählte, nicht im Sinne einer Parteiräson handeln zu wollen, sondern „für die Bürger“. Schon bei der Konstituierung, also der Selbstorganisation eines Kommunalparlaments, zeigt sich, wie unterschiedlich die Abgeordneten es damit halten. Die Brandenburgische Kommunalverfassung macht keinerlei Vorgaben zur Wahl des Vorsitzenden einer Stadtverordnetenversammlung (sofern es keinen ehrenamtlichen Bürgermeister gibt) oder eines Kreistages: „In amtsfreien Gemeinden wählt die Gemeindevertretung aus ihrer Mitte die Vorsitzende oder den Vorsitzenden und die Stellvertretung oder Stellvertretungen“, heißt es in Paragraf 33, der auch auf den Kreis anzuwenden ist. Weder hat also die Partei oder das Bündnis mit dem besten Wahlergebnis ein Vorschlagsrecht, noch die stärkste Fraktion.


Hier lesen Sie unseren Live-Thread auf der Plattform X zur konstituierenden Sitzung:

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Bei der Wahl des Vorsitzes des neuen Kreistages Dahme-Spreewald am 9. Juli schickte beispielsweise die AfD ihren Kandidaten Oliver Calov mit dem Argument ins Rennen, dass sie mit über 20.000 Mehr-Stimmen das beste Wahlergebnis erzielt habe. Trotzdem habe „der Kreistag einen CDUler und eine Linke gewählt“, schreibt die Fraktion anschließend auf ihrer Facebookseite (wobei die „Linke“ die 1. Stellvertreterin ist). „Betonieren die Altparteien ihre Brandmauer gegen den Willen der Wähler?“, fragt die AfD. Die Antwort dürfte mit Blick auf den erwähnten Paragrafen 33 schlicht ‚Nein‘ lauten, denn der Wählerwille wurde im vorgeschriebenen Verfahren, nämlich durch Wahl der Kreistagsabgeordneten, umgesetzt. Auch der AfD-Fraktionsvorsitzende Vincent Fuchs teilte auf unsere Anfrage mit, dass die Wahl aus seiner Sicht korrekt abgelaufen sei – sonst wäre Widerspruch eingelegt worden. Trotzdem behauptet der unterlegene Oliver Calov in einem Facebook-Video: „Wir hätten eigentlich den Anspruch auf den Vorsitz im Kreistag gehabt.“

 

Die Ansprüche, die es im Kreistag auf Besetzungen von Gremien gibt, beziehen sich indes nicht auf den Kreistagsvorsitzenden, sondern nach Paragraf 44 der Kommunalverfassung auf die Fachausschüsse. Und dabei wiederum nicht auf die Wahlvorschlagsträger, sprich: die Parteien und Bündnisse, die zur Wahl angetreten sind, sondern auf die Fraktionen, die sich in den Gremien gebildet haben. Während es bei der Wahl 14 Parteien und Wählerbündnisse in den Kreistag von Dahme-Spreewald geschafft haben, wurden danach fünf Fraktionen gebildet: Mit SPD/Grüne/Linke/Wir für KW/Bürgerinitiative Schönefeld (18 Sitze) ist eine eher progressive und mit CDU/Bauern/FDP/ Stimme der Dörfer (15 Sitze) eine eher konservative Fraktion entstanden. Beide haben eine satte Mehrheit von 33 Stimmen und bereits in der Vergangenheit viele Beschlüsse gemeinsam auf den Weg gebracht. Die AfD (14 Sitze) und die Gemeinsame Unabhängige Bürgerliste (UBL, 4 Sitze) bleiben für sich als Fraktionen, und BVB/Freie Wähler nimmt den Abgeordneten von Die Partei in die Fraktion (4 Sitze) auf. Ohne Fraktion ist Swen Ennullat (FWKW) geblieben. Von „künstlichen Fraktionsbildungen, die unser Ergebnis nivellieren sollten,“ spricht Oliver Calov (AfD) in dem Facebook-Video. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Vincent Fuchs teilt wiederum mit, dass die Fraktionsbildungen aus seiner Sicht korrekt erfolgt seien. 

 

  Fraktionen und Sitze im Kreistag 2024-29.  

 

Je nach Zahl der Sitze dürfen die Fraktionen also in unterschiedlicher Reihenfolge Vorschläge für die Vorsitzenden der Fachausschüsse unterbreiten. Das ist für die politische Arbeit nicht unerheblich, denn die Vorsitzenden legen in Abstimmung mit der Kreisverwaltung die Themen und deren Reihenfolge in der Tagesordnung fest. Die Fraktion SPD/Grüne/Linke/Wir für KW/BIS darf zuerst und an vierter Stelle einen Vorsitzenden vorschlagen, CDU/Bauern/FDP/ Stimme der Dörfer an zweiter und AfD an dritter Stelle. Darum geht es im Kreisausschuss am 17. Juli. Bei der Wahl des Vorsitzenden des Kreistages greift dieses Verfahren nicht. Und so standen in der vergangenen Woche neben dem AfD-Kandidaten Oliver Calov drei weitere Kandidaten für den Vorsitz bereit: Georg Hanke für SPD/Grüne/Linke/Wir für KW/BIS, Olaf Schulze für CDU/FDP/Bauern/StdD und Lutz Krause für die UBL. Die drei letztgenannten Fraktionen verzichteten – anders als die AfD – auf eine Argumentation für ihren Kandidaten. 

 

So unmittelbar, wie es klingt, verläuft sowohl die Wahl des Vorsitzenden als auch die Kür der Kandidaten häufig nicht ab. Vielmehr führen üblicherweise die Fraktionen miteinander Gespräche darüber, wer welche Kandidierenden ins Rennen schickt und welche Mehrheiten sich ergeben könnten. So war es auch diesmal im Kreistag. Für die Fraktion SPD/Grüne/Linke/Wir für KW/BIS stand bereits am Freitag vor der konstituierenden Sitzung der Kandidat Georg Hanke fest. Er ist im Jahr 2020 mit 33 Stimmen gegen seine Mitbewerberin Katharina Ennullat (20 Stimmen) zum Kreistagsvorsitzenden gewählt worden – als Nachfolger von Sylvia Lehmann, die in den Bundestag gewechselt war. Angesichts seiner korrekten und ausgleichenden Amtsführung hegten mehrere (alte und neue) Kreistagsabgeordnete die Erwartung, dass der alte auch der neue Kreistagsvorsitzende sein könnte. Die Fraktion CDU/Bauern/FDP/StdD sei zum gleichen Zeitpunkt und darüber hinaus noch in Gesprächen zum Thema Kreistagsvorsitz gewesen, teilt ihr Vorsitzender Björn Lakenmacher mit. Schließlich schickte sie das langjährige Kreistagsmitglied Olaf Schulze ins Rennen, die UBL den nicht minder erfahrenen Lutz Krause.

 

 Landrat Sven Herzberger (l.) legt dem frisch gewählten Vorsitzenden Olaf Schulze die Verpflichtungserklärung zum Unterzeichnen vor. Foto: Dörthe Ziemer

Landrat Sven Herzberger (l.) legt dem frisch gewählten Vorsitzenden Olaf Schulze 

die Verpflichtungserklärung zum Unterzeichnen vor. 

Foto: Dörthe Ziemer

 

In der ersten Wahlrunde ist die Mehrheit aller Kreistagsmitglieder erforderlich (29 bei insgesamt 57 Mitgliedern), in der zweiten die Mehrheit der anwesenden Kreistagsmitglieder. Die erste Runde entschied Olaf Schulze mit 18 Stimmen für sich, gefolgt von Georg Hanke (17), Oliver Calov (16) und Lutz Krause (3). Natürlich unterliegt das Stimmverhalten dem Wahlgeheimnis. Wer das Ergebnis interpretieren möchte, kann derweil die Anwesenheit der Fraktionsmitglieder daneben legen: SPD/Grüne/Linke/Wir für KW/BIS waren mit 16 statt 18 Mitgliedern im Kreistag, die UBL mit 3 statt 4. Alle anderen Fraktionen waren vollzählig. Die Stichwahl entschied schließlich Olaf Schulze mit 32 Stimmen für sich, Georg Hanke erhielt 22 Stimmen. Natürlich bleiben die Stimmverteilungen spekulativ, doch gesetzt den Fall, dass jede Fraktion für ihren Kandidaten stimmt, also auch die Fraktion von Georg Hanke geschlossen für ihn gestimmt hat, ergibt sich für den Wahlvorschlag Olaf Schulze, dass dieser nur mit Stimmen der AfD eine Mehrheit erlangen konnte: Für eine Mehrheit bei 53 anwesenden Kreistagsmitgliedern (plus Landrat) reichten die Stimmen der eigenen Fraktion (=15) und ggf. der UBL/BVB/Freie Wähler/Die Partei sowie Swen Ennullat (= 3+4+1) nicht aus. Außerdem erhielt Georg Hanke mehr Stimmen als nur aus der eigenen Fraktion.

 

Björn Lakenmacher verneint, dass der Wahlvorschlag seiner Fraktion auf Stimmen der AfD angewiesen gewesen sei und verweist auf das Wahlgeheimnis. Andrea Lübcke, eine der beiden Fraktionsvorsitzenden von SPD/Grüne/Linke/Wir für KW/BIS, nennt es „bedauerlich“, dass für die Wahl von Olaf Schulze „Stimmen der AfD notwendig waren und sich keine Mehrheit der demokratischen Fraktionen für einen Kandidaten fand“. Gleichwohl glaube sie, dass Olaf Schulze „ein guter Kreistagsvorsitzender“ sein und ihre Fraktion „vertrauensvoll mit ihm zusammenarbeiten“ werde. Auf die Frage, warum am Ende auch die AfD einen der beiden von ihr so genannten „Altparteien-Kandidaten“ mitgewählt habe, antwortet Vincent Fuchs als Fraktionsvorsitzender mit dem Verweis auf das Wahlgeheimnis. 

 

Während die erste Stellvertreterin Claudia Mollenschott (Linke) mit klaren 33 Stimmen bei 18 für Oliver Calov gewählt wurde, musste die Wahl zum zweiten Stellvertreter per Los entschieden werden. Oliver Calov (AfD) und Lutz Krause (UBL) standen zur Wahl, die mit einem 26:26-Unentschieden endete. Das Los fiel schließlich auf Oliver Calov. „Dass die CDU/FDP/Bauern/StdD-Fraktion offensichtlich einen Deal mit der AfD gemacht hat und sich für ihre Unterstützung bei der Wahl des Kreistagsvorsitzenden mit der Wahl des AfD-Kandidaten für den 2. Stellvertreter bedankt, erschreckt und zeigt, wie bröckelig die Brandmauer zur AfD ist“, teilt Andrea Lübcke mit. „Einerseits positioniert sich der Fraktionsvorsitzende Björn Lakenmacher zwar klar gegen Rassismus und für Vielfalt und Toleranz, andererseits ist er aber offenbar bereit, mit seiner Fraktion eine Partei zu unterstützen, die genau die konträre Position vertritt, wenn die CDU einen Vorteil davon hat.“ Björn Lakenmacher als Fraktionsvorsitzender müsse nun erklären, „wie aus Sicht der CDU eine Abgrenzung zur AfD aussieht“. 

 

 Die Neuen: Olaf Schulze (Vorsitzender), Claudia Mollenschott (1. Stellvertreterin) und Oliver Calov (2. Stellvertreter) bilden künftig das Präsidium des Kreistages Dahme-Spreewald. Foto: Dörthe Ziemer

Die Neuen: Olaf Schulze (Vorsitzender), Claudia Mollenschott (1. Stellvertreterin) und Oliver Calov (2. Stellvertreter) 

bilden künftig das Präsidium des Kreistages Dahme-Spreewald. 

Foto: Dörthe Ziemer

 

Dieser hält es für „spekulativ, das Wahlverhalten eines jeden Mitglieds des Kreistages bei einer geheimen Wahl einschätzen zu wollen und ableiten zu wollen, aus welcher Fraktion für wen welche Stimmen für einen der beiden Kandidaten geheim abgegeben wurden“. Er wolle sich mit seiner Fraktion „auf eine gute und verlässliche Politik für die Menschen in unserem Landkreis“ konzentrieren, kündigt Björn Lakenmacher an. „Nur so können wir die Menschen für die freiheitliche Demokratie und das Vertrauen in eine gute Politik der Mitte gewinnen“, teilt er mit. Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, der eine Zusammenarbeit sowohl mit der AfD als auch mit den Linken ausschließt, gelte selbstverständlich. „Meine Fraktion steht zu diesem Beschluss.“ 

 

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Vincent Fuchs nennt das Losglück für seine Partei im Video „einen großen Erfolg“. Er sei, ergänzt Oliver Calov, „am Ende glücklich, dass es noch geklappt hat“. Nun sei seine Partei „in einem der wichtigsten Gremien vertreten“ und man wolle „die Arbeit vernünftig im Sinne der Heimat und des Bürgers fortsetzen“. Für die Fraktion BVB/Freie Wähler schlägt Kreissprecher Manuel Pape in einer Facebook-Debatte eine Bresche: „Natürlich hat die BVB/Freie Wähler & Die PARTEI – Fraktion für Lutz Krause von der UBL gestimmt!“ Die UBL akzeptiere die demokratische Entscheidung, sagt der UBL-Fraktionsvorsitzende Frank Selbitz. Uwe Vogt, Kandidat der UBL, wird in der Facebook-Debatte deutlicher: „Ich kann nur sagen, und das als UBL-Mitglied, dass wir nie mit Ultrarechts oder Ultralinks zusammenarbeiten werden!“ Für ihn sei die „Einstellung zu dieser Wahl einfach daneben. Soll sich der den Schuh anziehen, der der Meinung war, blau wählen ist cool“. 

 Die neuen Kreistagsabgeordneten sprechen gemeinsam die Verpflichtungserklärung, zum Wohle des Landkreises handeln zu wollen. Foto: Dörthe Ziemer

Die neuen Kreistagsabgeordneten sprechen gemeinsam die Verpflichtungserklärung, 

zum Wohle des Landkreises handeln zu wollen.

Foto: Dörthe Ziemer

 

Weitgehend geräuschfreier haben sich am Tag zuvor die Stadtverordneten der Kreisstadt Lübben konstituiert. Mit der AfD (4 Sitze) und der Bürgerinitiative „Unser Lübben“ (3 Sitze) sind zwei völlig neue politische Kräfte und Personen an Bord. Beide stellen rund ein Drittel der Stadtverordneten. Zum Vorsitzenden wurde einstimmig Peter Rogalla (Die Linke, Mitglied der Stadtfraktion) gewählt. Für Peter Rogalla ist es bereits die dritte Wahlperiode als Vorsitzender und auch bei der Wahl 2019 war das Votum für ihn einstimmig ausgefallen – ein Beleg dafür, dass die Arbeit des Vorsitzenden offenbar großen Zuspruch bei den alten wie neuen Stadtverordneten findet.

 

Die Konstituierung des Kreistages wird mit dem morgigen Kreisausschuss fortgesetzt. Das ist das zentrale und wichtigste Gremium, das die Fachausschüsse koordiniert und Empfehlungen für die Beschlussfassung im Kreistag ausspricht. Der Vorsitz kann dem Landrat vorbehalten bleiben, wenn es die Kreistagsabgeordneten so wollen. Ein entsprechender Beschluss war von der Verwaltung für die Kreistagssitzung so vorbereitet worden, doch Landrat Sven Herzberger zog den betreffenden Punkt 3 der Beschlussvorlage zurück – nicht, „weil ich keine Lust habe“, wie er sagte, sondern weil er es im „Gesamtgefüge für sachgerecht“ halte. Was genau damit gemeint sei und warum er auf den Vorsitz verzichte, wollten wir von ihm wissen. Die Antwort darauf steht noch aus.


Exkurs: Die neuen Fraktionen im Kreistag

SPD/Grüne/Linke/Wir für KW/BIS

CDU/FDP/Bauern/StdD

UBL & BVB/Freie Wähler/Die Partei

AfD 

 

Ohne Fraktion bleibt Swen Ennullat (Freie Wähler für KW/FWKW).


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Veröffentlichung

Di, 16. Juli 2024

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