Mehr Hauptamt fürs Ehrenamt
Eine gewisse Einigkeit herrscht beim ersten Wahlkreisel bei den drei Kandidierenden für das Amt des Landrates: Das Ehrenamt im Landkreis braucht mehr Unterstützung. Kontroversen gab es hingegen bei der Asyl- und Energiepolitik. Die wichtigsten Aussagen im Überblick.
Von Andreas Staindl
Am 8. Oktober wird ein neuer Landrat oder erstmals eine Landrätin im Landkreis Dahme-Spreewald gewählt. Zur Wahl stehen derzeit die Vizelandrätin Susanne Rieckhof (SPD), der Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré (AfD) sowie der Bürgermeister von Zeuthen Sven Herzberger. Sabine Freund, Kandidatin der Grünen, ist Anfang April 2023 verstorben. Ob es damit bei einem Dreikampf um die Verwaltungsspitze im Landkreis bleibt, ist noch offen. Wahlvorschläge müssen spätestens bis zum 3.August beim Kreiswahlleiter eingereicht werden.
Das Trio, dass frühzeitig den Hut in den Ring geworfen hat, will die Bürger von sich überzeugen. Um die Fragen der Einwohner im Landkreis Dahme-Spreewald ins Spiel zu bringen, hat Wokreisel den Wahlkreisel gestartet: eine Gesprächsreihe mit den drei Landratskandidaten. Den Auftakt mit dem Sammeln von Themen gab es im Februar dieses Jahres. Daraus sind vier Themenschwerpunkte für vier Gesprächsrunden entstanden.
Die Landratskandidaten und die Moderatoren gemeinsam auf dem Podium: Jan Siegel, Steffen Kotré, Susanne Rieckhof, Dörthe Ziemer, Sven Herzberger (v.l.). Foto: Andreas Staindl
Die erste Gesprächsrunde fand am 8. Juni in Mittenwalde statt. Etwa 50 Bürgerinnen und Bürger waren dabei. Der Platz hätte für deutlich mehr Menschen gereicht, die Teilnahme ist offen, eine Anmeldung nicht erforderlich. „Ehrenamt und Kommunalpolitik“ lautete der Themenschwerpunkt dieser ersten Gesprächsrunde, die von Dörthe Ziemer (Wokreisel) und Jan Siegel (Lausitzer Rundschau) moderiert wurde.
Den Kandidierenden wurden jeweils rund zwei Minuten Redezeit gewährt. Am häufigsten musste Steffen Kotré daran erinnert werden. Sven Herzberger gab die kürzesten Antworten. Susanne Rieckhof lag dazwischen. Bei den Themen Asyl- und Energiepolitik ergaben sich zwei Kontroversen zwischen den Kandidierenden, die das Frage-Antwort-Schema ein wenig aufbrachen: Aus ihrem kommunalpolitischen Wissen heraus hatten Sven Herzberger und Susanne Rieckhof das Bedürfnis, Aussagen von Steffen Kotré zu kommentieren.
Die wichtigsten Aussagen im Überblick:
Um den Umgang der Verwaltungsspitze mit ehrenamtlich tätigen Menschen zu diskutieren, bot sich die kürzlich veröffentlichte Ehrenamtsstudie für das Land Brandenburg an. Der Studie zufolge wird das Ehrenamt nicht genug gefördert im Land Brandenburg, auch im Landkreis Dahme-Spreewald läuft längst nicht alles optimal. Wie wollen die Landratskandidaten das ändern?
Steffen Kotré: „Oberstes Ziel muss es sein, die Akzeptanz des Ehrenamts zu erhöhen. Und wir brauchen eine bessere Ausstattung der ehrenamtlichen Bereiche, etwa der Freiwilligen Feuerwehr. Auch wenn der Landkreis dafür nicht zuständig ist, kann er helfen und unterstützen. Der Kreis müsste Ehrenamtlern für ihre Arbeit leichteren Zugang zu Objekten und Räumlichkeiten ermöglichen.“
Sven Herzberger: „Wir brauchen einen hauptamtlichen Ansprechpartner in der Kreisverwaltung, der die Arbeit der Ehrenamtler koordiniert. Ziel muss es sein, eine solche Stelle zu finanzieren. Und wir müssen mit ehrenamtlich tätigen Menschen auf Augenhöhe diskutieren.“
Susanne Rieckhof: „Ehrenamt und Hauptamt in unserem Landkreis entwickeln sich derzeit völlig unterschiedlich. Wir brauchen eine Anlaufstelle in der Kreisverwaltung für Ehrenamtler, gerade auch für juristische Fragen. Das könnte auch eine Stelle sein, die ehrenamtliche Arbeit vernetzt. Wir sind gerade im Aufbau.“
Ausschnitt aus dem Publikum. Etwa 50 Besucher waren während der ersten Gesprächsrunde mit den Landratskandidaten kürzlich in Mittenwalde dabei. Foto: Andreas Staindl
Wann ist die Zeit reif für eine hauptamtliche Feuerwehr? Wie kann man die Wehren in Sachen Ausstattung unterstützen?
Sven Herzberger: „Das lässt sich nicht so leicht beantworten. Viele Feuerwehrleute wollen gar nicht hauptamtlich sein. Wir müssen einen Mittelweg finden. Eine große Hilfe sind verständnisvolle Arbeitgeber. Und wir brauchen mehr Kapazitäten in den Landesfeuerwehrschulen, um ehrenamtliche Kameradinnen und Kameraden auszubilden.“
Susanne Rieckhof: „Eine hauptamtliche Feuerwehr ist der Herzenswunsch unseres Kreisbrandmeisters, aber nicht jedes Kameraden im Landkreis. Den Brandschutz hauptamtlich in unserem ländlichen Kreis zu sichern, wäre eine große Herausforderung. Ich halte eine hauptamtliche Feuerwehr in unserem Landkreis für schwierig umsetzbar.“
Steffen Kotré: „Eine hauptamtliche Feuerwehr in unserem Kreis ist für mich nicht darstellbar. Freiwillige Feuerwehr ist schließlich auch Identifikation mit einer Gemeinschaft. Es ist schwierig, so etwas in ein Hauptamt zu übertragen. Ich bin eher dafür, die Freiwilligen Feuerwehren zu entlasten. Etwa durch die Anschaffung eines Löschflugzeugs, um effektiver Waldbrände bekämpfen zu können.“
Auch Kreistagsmitglieder sind Ehrenamtler. Wie kann ein Landrat sie dabei unterstützen, fundierte Entscheidungen zu treffen? Wie sollte das Miteinander gestaltet werden?
Susanne Rieckhof: „Vertrauensvoll. Schon heute können mich Mitglieder des Kreistags zu Fragen meines Bereichs anrufen. Als Landrätin würde ich Kreistagsmitglieder vor Sitzungen noch besser mit Informationen zu den einzelnen Themen versorgen.“
Steffen Kotré: „Kreistagsmitglieder haben ein enormes Pensum zu bewältigen. Allerdings ist oft viel Polemik dabei. Ich würde mir wünschen, sachlicher über Themen zu diskutieren. Das könnte einiges entschärfen. Und: Die Kreisverwaltung muss sich als Dienstleister des Kreistags verstehen. Die langen Sitzungen allerdings werden bleiben, solange wir alle möglichen sowie immer neue Forderungen und Ideen der Bundespolitik umsetzen müssen.“
Sven Herzberger: „Vertrauen und Augenhöhe sind ganz wichtig. Wir müssen auch im Streit wahrhaftig bleiben. Zudem sollten Kreistagsmitglieder fachlich geschult werden. Das hilft enorm für die gemeinsame Arbeit. Und: Die Verwaltung muss die Unterlagen vor Sitzungen rechtzeitig bereitstellen. Auch Transparenz ist wichtig. Wir dürfen nicht zu viel Hinterzimmerpolitik machen. Die Bürger müssen unsere Entscheidungen nachvollziehen können. Live-Übertragungen von Sitzungen sind ein guter Anfang.“
Der Landkreis Dahme-Spreewald leidet unter so genannten Wachstumsschmerzen. Woher soll das Geld für die nötige Infrastruktur kommen, damit den Kommunen auch Mittel für freiwillige Aufgaben wie die Unterstützung des Ehrenamtes bleiben?
Steffen Kotré: „Etwa aus Einsparungen in anderen Bereichen. Solange wir uns einen Klimamanager leisten – was völlig unsinnig ist – muss ja noch genügend Geld da sein. Viel Geld kosten uns auch Menschen aus anderen Ländern, die eigentlich gar nicht mehr hier sein dürften. Probleme bereitet uns zudem die Deindustrialisierungspolitik der Bundesregierung mit ihren Entscheidungen etwa im Energiebereich.“
Sven Herzberger: „Es stimmt, der Kreis muss künftig viel Geld aufbringen, um seine Pflichtaufgaben zu erfüllen. Wir müssen also gucken, wo wir bei freiwilligen Aufgaben sparen können. Das Land muss uns finanziell besser ausstatten.
Ein Landrat sucht übrigens die Flüchtlinge nicht aus. Er muss allerdings für deren Unterbringung und Versorgung sorgen.“
Susanne Rieckhof: „Wir werden etwa 150 Millionen Euro als Kredit in unseren nächsten Haushalt einstellen. Das Gros brauchen wir für die Schaffung von Schulplätzen sowie den Bau neuer Schulen. Ich werde mich beim Land für mehr Geld für die Flüchtlingsarbeit in unserem Kreis einsetzen.
Unser Klimaschutzbeauftragter macht übrigens viele sinnvolle Dinge. Er ist rund um die Uhr beschäftigt. Wir wollen unseren Landkreis grün und nachhaltig aufstellen, sodass er auch für folgende Generationen noch lebenswert ist.“
Ehrenamtler engagieren sich stark für die Integration geflüchteter Menschen. Helfer fühlen sich oft nicht ausreichend von der Politik gehört. Wie stehen die Kandidierenden zum Thema Geflüchtete?
Sven Herzberger: „Wichtig ist es, Geflüchteten schnell und unbürokratisch zu helfen, sich mit anderen Institutionen zu vernetzen. Die Kreisverwaltung muss engagiert Helfer unterstützen, für sie da sein. Ich setze mich auch künftig für Geflüchtete in unserem Landkreis ein.“
Susanne Rieckhof: „Ohne Ehrenamtler ist die Integration geflüchteter Menschen schwierig. Mit unserer Beauftragten für Migration und Integration können Bürger gerne Termine vereinbaren – auch zum Thema einer neuen Flüchtlingsunterkunft in Lübben. Dort werden nur maximal 95 Plätze für Geflüchtete entstehen. Wir brauchen diese Menschen unbedingt und ganz dringend für unseren Arbeitsmarkt.“
Steffen Kotré: „Der Landkreis bricht Recht und Gesetz, weil er Menschen, die nicht hier sein dürften, nicht verweist. Der Landkreis sollte sich Hilfe holen, um Abschiebungen möglich zu machen. Die Integration bei uns ist völlig gescheitert. Wir brauchen diese Menschen nicht, auch nicht für unseren Arbeitsmarkt. Sinnvoller ist es dafür zu sorgen, dass unsere eigenen Leute, gut ausgebildete Fachkräfte, nicht auswandern.“
Fragen aus dem Publikum.
Fotos: Andreas Staindl
Die Landratskandidaten wurden auch von Besuchern der Gesprächsrunde nach ihren Positionen zu verschiedenen Themen gefragt.
Warum gibt der Landkreis viel Geld für Klimaschutzmaßnahmen aus?
Susanne Rieckhof: „Unser Landkreis will und muss nachhaltig werden. Wir haben den Klimaschutz im Blick und brauchen dafür viel Geld. Ein Ziel ist es, den öffentlichen Personennahverkehr möglichst schnell weg vom Diesel zu bekommen und auf alternative Technologien umzurüsten. Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind eine der wichtigsten Aufgaben des Landrats während der nächsten Jahre. Das ist Gesetz, und dem kann man sich nicht entziehen.“
Steffen Kotré: „Geld für das Klima zu investieren, bringt gar nichts. Besser wäre es, die Land-und Forstwirtschaft fit für die Zukunft zu machen, diese Bereiche gezielt zu unterstützen. Geld auszugeben, nur um CO2 einzusparen, ist Verschwendung von Steuermitteln. Ich wüsste nicht, was unser Landkreis am globalen Klima ändern könnte. In China, Indien und den USA beispielsweise wären Klimaschutzmaßnahmen sinnvoller.“
Sven Herzberger: „Veränderungen fangen im Kleinen an. Das Frauenwahlrecht beispielsweise fand anfangs auch nicht die ganze Welt toll.“
Die Bestrebungen der Sana-Kliniken AG, am Klinikum Dahme-Spreewald mehr als 50 Prozent Anteile zu erhalten, wird im politischen Raum diskutiert. Wie stehen die Landratskandidaten dazu?
Steffen Kotré: „Ich halte eine Privatisierung mit einem Anteil von über 50 Prozent für problematisch. Das birgt zu viel Risiko. Gesundheitswesen ist schließlich Daseinsvorsorge, also eine staatliche Aufgabe. Mit mir wird es keine Privatisierung mit einem Anteil von über 50 Prozent geben.“
Sven Herzberger: „Der Grund für die Bestrebungen der Sana AG, nämlich die Krankenhausreform, hat sich verändert. Mit mir als Landrat wird es keine Krankenhaus-Privatisierung geben.“
Susanne Rieckhof: „Krankenhäuser, Schulen, Kitas sind Teil der Daseinsvorsorge und sollten in öffentlicher Hand bleiben. Es gibt dazu auch einen Beschluss des SPD-Unterbezirks, in dem wir sagen, dass wir gegen die Pläne der Sana AG sind.“
Verhindert oder fördert der Landkreis den Naturschutz?
Susanne Rieckhof: „Für jeden Baum, den wir fällen, müssen wir einen nachpflanzen. Wir sind sehr am Schutz der Natur interessiert.“
Steffen Kotré: „Windkraftanlagen sind die größten Umweltverschmutzer. Mit mir als Landrat wird es keine weiteren Windräder in unserem Kreis geben. Windkraft verdrängt bewährte Energiequellen aus dem Netz. Wir müssen zu herkömmlicher Energiegewinnung zurückkommen, weil wir uns schon jetzt in einer Mangelwirtschaft befinden. Atomkraft ist deutlich besser als Windkraft. “
Susanne Rieckhof: „Für bezahlbare Energie brauchen wir autarke Energiequellen. Und ohne Windkraftanlagen wird es keinen Klimaschutz geben.“
Sven Herzberger: „Ein Landrat ist für Windkraftanlagen gar nicht zuständig. Darüber entscheiden die Kommunen selbst.“
Wie lässt sich die Abwanderung junger Menschen vor allem ins benachbarte Berlin verhindern?
Susanne Rieckhof: „Wir brauchen einen guten und attraktiven öffentlichen Personennahverkehr. Und wir brauchen Einrichtungen in den Dörfern, in denen sich junge Leute treffen und wo sie feiern können. Wichtig sind auch genügend Sportangebote. Über den Sport ist auch Integration leichter möglich. Viele Geflüchtete sind hervorragende Sportler.“
Steffen Kotré: „Der Landkreis Dahme-Spreewald hat derzeit Zuzug aus Berlin, vor allem durch Familien. Er ist attraktiv, der Spreewald sowieso. Die Natur ist ein großer Vorteil unseres Kreises gegenüber Berlin. Wir müssen allerdings den öffentlichen Personennahverkehr unbedingt ausbauen und möglichst jedes Dorf mit anschließen.“
Sven Herzberger: „Wir müssen dafür sorgen, dass unsere jungen Leute nicht wegziehen müssen: Wichtig sind Wohnraum, Ausbildungsplätze sowie neben dem öffentlichen Personennahverkehr auch ein guter Individualverkehr. Die Metropolregion Berlin/Brandenburg wird sich weiter in Richtung Süden und damit in unseren Landkreis hinein entwickeln.“
Vor dem Hintergrund, dass der Landkreis künftig Kredite aufnehmen und deshalb sparen muss: Wie kann man am effektivsten mit öffentlichen Mitteln umgehen?
Susanne Rieckhof: „Sparen schont unseren Haushalt. Für Schulen allerdings werden wir in den nächsten Jahren viel Geld ausgeben. Wir werden dafür andere Dinge nach hinten stellen oder ganz auf diese verzichten. Die Kreisverwaltung kann nur Vorschläge machen, über die der Kreistag dann entscheidet.“
Steffen Kotré: „Wir brauchen Transparenz in allen Haushaltspositionen. Den Bürgern ist nicht zu vermitteln, dass wir viel Geld für Klimaschutz ausgeben, das dann aber für den Wohnungsbau und andere Infrastrukturmaßnahmen fehlt. Wir müssen nicht jeden Kokolores mitmachen, den sich die Bundesregierung ausdenkt.“
Sven Herzberger: „Wir müssen Prioritäten setzen, wofür wir Geld ausgeben, Kosten und Nutzen abwägen. Der Landrat trifft die politischen Entscheidungen mit. Ich als Landrat würde nicht alles anders, aber vieles besser machen.“
Die nächste Gesprächsrunde findet am 29.Juni 2023 ab 19 Uhr im Sportlerheim in Schönwalde (Unterspreewald) statt. Themen: Kitas, Schulen, Arztpraxen, Wohnraum, Fachkräfte - wie will der neue Landrat, die Landrätin bedarfsgerechte Lebensqualität schaffen? Die Veranstaltung ist offen für alle.
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