Die Grünen unterstützen Susanne Rieckhof bei der Kandidatur fürs Landratsamt in Dahme-Spreewald. Das hat die Mitgliederversammlung am Montagabend bei einer öffentlichen Vorstellungsrunde entschieden. Als polarisierendstes Thema erwies sich die Debatte um weiterführende Schulen.
Von Dörthe Ziemer
Die Grünen im Landkreis bleiben sich treu und geben sich für anstehende Entscheidungen viel Zeit zum Diskutieren. Gestern Abend ging es in Königs Wusterhausen darum, welche/n Kandidierende/n die Grünen im Landratswahlkampf unterstützen. Nach dem plötzlichen Tod der grünen Landratskandidatin Sabine Freund im April wurde kein Nachfolger nominiert. Stattdessen bereitete eine eigens einberufene Kommission eine Entscheidungsfindung zur Unterstützung anderer Kandidierender mitte vor. „Auch nach dem Tod unserer eigenen Kandidatin um das Amt der Landrätin engagieren wir uns weiter für die Wahl einer Landrät*in aus der demokratischen Mitte der Gesellschaft“, sagt Gerd Kaufmann, Vorstandmitglied aus Luckau.
Die Kommission setzte sich aus Mitgliedern des Kreisvorstandes und der Kreistagsfraktion zusammen, sie sprach vorab mit Sven Herzberger (parteilos) und Susanne Rieckhof (SPD) und formulierte Fragen für die öffentliche Vorstellungsrunde. Lothar Treder-Schmidt, Vorsitzender der Kreistagsfraktion, und Stefan Faust, Vorstandsvorsitzender, moderierten die beiden knapp einstündigen Gespräche mit den Kandidierenden, die in obiger Reihenfolge nacheinander eingeladen waren. Zahlreiche Gäste hatten sich zu der öffentlichen Mitgliederversammlung in Königs Wusterhausen eingefunden.
Nach einer internen einstündigen Debatte entschieden sich die anwesenden Mitglieder mit „allergrößter Mehrheit“ für Susanne Rieckhof, wie Lothar Treder-Schmidt heute mitteilte. „Uns hat die Kandidatin konzeptionell besser gefallen, da war mehr Substanz in den längerfristigen Plänen für den Landkreis“, sagte er. Susanne Rieckhofs Vorstellungen für den Landkreis hätten deutlich größere Schnittmengen mit den Zielen und Ideen von Bündnis 90/Grüne geboten, heißt es in einer Pressemitteilung. Wie genau die Unterstützung ihrer Kandidatur aussehen solle, das werde nun besprochen.
Weitgehende Einigkeit bei vielen Themen
Die Kandidierenden hatten einen rasanten Galopp durch verschiedenste Themen zu absolvieren. Beide zeigten – wie auch bei vielen Wahlkreisel-Runden – in einigen Bereichen Übereinstimmungen: von zu ertüchtigenden Bahnstrecken und einer Optimierung des Nahverkehrs über die notwendige regionale Vermarktung regionaler Produkte bis hin zu notwendigen Anpassungen kreislicher Liegenschaften, des Fuhrparks und der Regionalen Verkehrsgesellschaft an die Herausforderungen des Klimawandels.
Beide sehen beim Thema Migration vor allem die Chance, Fachkräfte in den Landkreis zu holen – wenngleich dafür die Beratungs- und Vernetzungsleistungen, aber auch die Bearbeitungsgeschwindigkeit in der kreislichen Ausländerbehörde ausgebaut werden müssten. Sven Herzberger ergänzte, dass es kleinere Unterkünfte bräuchte, um die Menschen gut zu integrieren. Gleichwohl ist der Landkreis dabei auf die Mithilfe der Kommunen angewiesen. Susanne Rieckhof verwies auf das geplante Welcome-Center in Königs Wusterhausen als zentralen Ansprechpartner für Fragen der Integration. Dort möchte sie vor allem auch Menschen mit Migrationshintergrund einstellen.
Miteinander in der „kommunalen Familie“
Beide Kandidierende sprachen sich dafür aus, den Ausbau alter Gebäude zu Wohn- oder Arbeitszwecken, beispielsweise als Arztpraxen, zu erleichtern und zu fördern. Sven Herzberger möchte als Landrat dazu eine Handreichung für Kommunen auflegen, damit diese das Baurecht zielführend auslegen können – ähnlich der jüngst erschienenen Handreichung zu Solaranlagen. Susanne Rieckhof will zur Förderung solcher Bauvorhaben auf die Fachexpertise im Bauordnungsamt der Kreisverwaltung setzen. Den Ausbau und die Ertüchtigung von Kreisstraßen wollen beide voranbringen – Sven Herzberger mit Blick auf die wachsende Elektromobilität und den Nahverkehr, Susanne Rieckhof mit Blick auf die Verkehrssicherungspflicht, die dem Landkreis obliegt. Beim Thema Wirtschaft sprachen sich beide dafür aus, den Süden zu stärken – Sven Herzberger nannte dabei Tourismus und Landwirtschaft, Susanne Rieckhof verwies auf die große Chance des ländlichen Raumes, sich an der grünen Wasserstoffachse des Landes zu beteiligen.
Wichtiges Anliegen ist beiden Kandidierenden schließlich das Miteinander in der „kommunalen Familie“ – also zwischen Kommunen und Landkreis. Sven Herzberger möchte die „unterschiedlichen Mentalitäten und Interessenlagen“ im Landkreis zusammenbringen und ausgleichen. Er wolle „Debatten auf Augenhöhe führen“, Entscheidungen „im politischen Diskurs gemeinsam lösen“ und anschließend gemeinsam umsetzen. Susanne Rieckhof ist „wichtig, dass sich alle mitgenommen fühlen“. Zugleich wolle sie das Klischee des Nord-Süd-Kontrastes nicht immer wieder bedienen. Vielmehr müssten die Unterschiede sichtbar gemacht werden, etwa indem Vereine im Landkreis mehr in den Austausch miteinander treten. Außerdem möchte sie sich für einen „guten Tonfall“ im Miteinander einsetzen. Die Menschen wollten „das Garstige, das Zersetzende“ nicht mehr, so ihre Erfahrung aus Gesprächen.
Wie halten Sie’s mit der Oberschule?
Wie sich das Miteinander ganz praktisch gestalten könnte, dazu gab es schließlich beim Thema Schulentwicklung einen kleinen Ausblick. Er werde sich als Landrat für eine für Oberschule, möglichst mit gymnasialer Oberstufe (GOST), in Schulzendorf einsetzen, sagte Sven Herzberger während seines zehnminütigen Eingangsstatements. Ein weiteres Gymnasium in Wildau sei „nicht begründbar“. Die Diskussion um eine weiterführende Schule laufe derzeit ergebnisorientiert, kritisierte er wenig später, sie orientiere sich also an dem, was sich die Kreisverwaltung vornehme. Er wolle die Debatte stattdessen lieber ergebnisoffen führen – also alle Argumente betrachten, um zu einem Ergebnis zu kommen.
Hintergrund der Debatte ist, dass im Bildungsausschuss des Kreistages im Juni eine Studie vorgestellt wurde, in der die Gutachter Wildau als zusätzlichen Schulstandort empfehlen – mit Aufstockung der dortigen Oberschule und dem Neubau eines Gymnasiums. Kreisverwaltung und Ausschussmitglieder hatten sich von diesem Ergebnis überrascht gezeigt – die Kreisverwaltung hätte eher einen Schwerpunkt in Schönefeld gesehen, viele Ausschussmitglieder befürworteten eine Oberschule mit gymnasialer Oberstufe. Die Mitglieder hatten das Votum auf den nächsten Bildungsausschuss im September vertagt – die Fraktionen wollen die Studie bis dahin auswerten.
Falls eine Einigung erzielt werde, könne eine Entscheidung im nächsten Kreistag getroffen werden, sagte Susanne Rieckhof, die das zuständige Dezernat in der Kreisverwaltung leitet. Sie begann über die Historie des Themas zu berichten, derweil wurde es bei den Grünen rund um Claudia Stölzel, Gemeindevertreterin in Schulzendorf, unruhig. Was genau die Kandidatin für die Kinder erreichen wolle, hakte die Grüne nach. Lothar Treder-Schmidt, langjähriger Kreistagsabgeordneter, verwies darauf, dass die Entscheidung über den Standort dem Kreistag obliege, nicht dem Landrat. Persönliche Fragestellungen sollten im Anschluss direkt diskutiert werden, schlug er vor.
In der abschließenden Fragerunde kam Jonas Reif, grüner Gemeindevertreter in Zeuthen, auf das Thema zurück. Die Frage nach dem Schulstandort sei im Norden ein Hauptproblem, sagte er und fragte, ob die Kandidatin verstehen könne, dass man dort „fassungslos über die Idee eines zweiten Gymnasiums in Wildau“ sei. Schließlich habe Schulzendorf ein „schlüssiges Konzept“ für einen Schulcampus vorgelegt. Susanne Rieckhof zeigte Verständnis, stellte jedoch fest, dass die Perspektive des Landkreises die sein müsse, was für den Kreis am machbarsten ist. Das sei in der Studie mittels Matrix untersucht worden. „Sie müssen doch nach dem Bedarf schauen“, rief Claudia Stölzel dazwischen – es war der erste Zwischenruf an diesem langen Abend.
Susanne Rieckhof entgegnete, dass es inzwischen mehrere Vorschläge für Standorte gebe. „Im Kreistag gibt es einige Abgeordnete, die mit aller Macht ihren Ort verteidigen“, sagte sie. „Der Landkreis kann aber nicht überall bauen. Deshalb haben wir die Machbarkeitsstudie, damit sich das jemand neutral anschaut.“ Das Schulzendorfer Projekt, Grund- und weiterführende Schule an einem Standort zu vereinen, sei gut, schätzte sie ein. Aber es sei im Austausch mit den Bürgermeistern von Schulzendorf und Schönefeld zu keiner Einigung über die Umsetzung gekommen. Nun werde die Kreisverwaltung anhand der Studie einen Beschlussvorschlag erarbeiten. Lothar Treder-Schmidt wandte abermals ein, dass es sich dabei um ein Thema handele, über das der Kreistag berät und beschließt, und beendete damit die Diskussion. „Der Kreistag hat die Machbarkeitsstudie erhalten. Treten Sie gern mit uns in die Diskussion“, lud er die Anwesenden ein.
Wie weiter mit der Kreisumlage?
Bleibt die Frage nach der Finanzierbarkeit all der Vorhaben. Um die Kreisfinanzen steht es so schlecht wie lange nicht, Kreditaufnahmen von über 200 Millionen Euro sind geplant, und die Kreisumlage könnte sich weiter erhöhen. Deshalb erging an die beiden Kandidierenden die Frage, wie sich die Kreisumlage, mit der die Gemeinden einen Anteil am Kreishaushalt erbringen, gestalten solle, und wo Kürzungen möglich seien.
„Wie man es dreht und wendet: Das Thema der Finanzierung kann man nur gemeinsam stemmen“, sagte Sven Herzberger. Die Kreisumlage sei Fehlbedarfsfinanzierung für originäre Aufgaben des Landkreises. „Deshalb muss dann eine Schule aus der Kreisumlage finanziert werden“, sagte er und er glaube, dass sich kein Bürgermeister dagegenstemmen werde. Was außerdem notwendig sei: bestimmte Finanzierungsmöglichkeiten freiwilliger Aufgaben überdenken und verstärkt mit Fördermitteln arbeiten. „Im kulturellen Bereich kann man über alternative Finanzierungsformen nachdenken“, schlug er vor, „in anderen Bundesländern gibt es beispielsweise Kulturstiftungen.“
Susanne Rieckhof war ebenfalls der Meinung, dass die Kreisumlage nicht mehr so niedrig bleiben könne. Historisch sei es so gewesen, dass der Landkreis die niedrigste Kreisumlage in Brandenburg hat und Kommunen dafür Leistungen erbracht haben, etwa bei der Trägerschaft von Oberschulen. „Das ist nie fixiert, aber so gelebt worden“, erläuterte sie. Vor diesem Hintergrund könnte die Möglichkeit einer differenzierten Kreisumlage erwogen werden, dass also Kommunen unterschiedlich hohe Kreisumlage-Sätze zahlen. „Unser Kämmerer lehnt das derzeit zwar ab“, sagte sie – aber als Landrätin würde sie dies prüfen lassen.