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Laufen gegen den Corona-Blues

Es ist der Corona-Sport: einfach raus, loslaufen! Aber auch Läufer haben Verlangen nach Gemeinschaft. Da hilft, sich des Ur-Anliegens von Bewegung zu besinnen, sagt einer der dienstältesten Läufer im Landkreis in einem sehr persönlichen Text.

 

 

Von Andreas Staindl

 

Laufen ist gut für Körper und Seele. Ich weiß das, ich laufe schließlich seit meiner Kindheit. Mal richtig durchpusten, sich anstrengen müssen. Den inneren Schweinehund überwinden. Zufrieden nach Hause kommen. Egal, wie lang und fordernd die Trainingseinheit auch war. Ich bin schon viele Kilometer gelaufen. Bei Hitze, Regen, Schnee und Sturm. Manchmal stundenlang.

 

Wettkämpfe sind jedoch das Salz in der Suppe. Und genau das fehlt seit Monaten. Die Corona-Eindämmungsverordnung lässt Laufveranstaltungen nicht zu. Das hat Folgen für die Laufszene im Landkreis Dahme-Spreewald. Auch der Spreewald-Cup, die Laufserie des Luckauer Läuferbundes mit zehn zugeordneten Wettkampf-Läufen, findet nicht statt. Schon die 22. Auflage der Laufserie im vergangenen Jahr fiel den Kontaktbeschränkungen zum Opfer. Der Spreewald Marathon – Brandenburgs größte Breitensportveranstaltung – darf ebenfalls zum zweiten Mal in Folge nicht bzw. nur als Individualsport starten. Auch alle anderen Laufveranstaltungen sind seit Monaten abgesagt. Keine sportlichen Treffen mit Lauffreunden. Auch keine zufriedenen Gesichter, wenn das selbstgesteckte Ziel erreicht wurde. Die Wettkampfatmosphäre fehlt allen Generationen.

 

2021-05_Laufen_KraunsickerBerglauf

 

Und doch haben Läufer einen großen Vorteil: Sie konnten und können trotz Corona-Maßnahmen weiter laufen. Wenn auch in kleinen Gruppen, mit Abstand und Rücksicht aufeinander. Laufen gegen den Corona-Blues. Das ist gut für das Wohlbefinden, vor allem aber für die Psyche. Denn die steht seit Monaten gehörig unter Druck. Fast nur schlechte Nachrichten. Panik-Modus hoch. Nicht leichtsinnig werden. Nur noch ein paar Wochen. Die Botschaften in den meisten Medien ähneln sich. Sie machen krank, wenn man nicht aufpasst.

 

Ich passe auf, lasse mich nicht verrückt machen, schaue nach Möglichkeiten, meiner Leidenschaft trotz Corona-Einschränkungen nachgehen zu können. Schon im November 2020 – dem Beginn des aktuellen Lockdowns – definiere ich Ziele. Ich will mich nicht ausbremsen lassen, sondern weitertrainieren. Klar: Ich laufe, weil es mir guttut und Spaß macht. Ausdauersport macht widerstandsfähig gegen Hürden, die das Leben bereithält – so wie jetzt während der Corona-Zeit. Nicht aufgeben, auch wenn es wehtut. Wer regelmäßig den inneren Schweinehund überwindet, selbstgesteckte Ziele erreicht oder vielleicht sogar Grenzen verschiebt, übersteht auch die Corona-Zeit mit allen Einschränkungen.

 

2021-05_Laufen_Schlossinsellauf

 

Durchhalten bis ans Ziel – das habe ich gelernt. Aber ich will auch Wettkämpfe bestreiten. Doch wo? Immer mehr Läufe werden abgesagt. Der Madeira-Marathon im Januar dieses Jahrs schien möglich. Ein Lauffreund sah das genauso. Wir meldeten uns an und trainierten gezielt für den Marathon auf der Insel im Atlantischen Ozean. Lange Läufe, Tempoeinheiten, Intervalle. Das volle Programm. Dann die Absage. Enttäuschung. Aber nur kurz. Der Malta-Marathon geht noch. Also weitertrainieren. Die Vorfreude währt nur wenige Tage. Auch dieser Lauf fällt Corona zum Opfer.

 

Doch deshalb aufgeben, das Training vielleicht komplett runterfahren? Für mich keine Option. Ich durchforste das Internet und finde den Wintermarathon in Leipzig. Der ist noch nicht abgesagt. Und es sind nur noch ein paar Wochen. Das Beste an diesem Lauf: Es ist ein Team-Marathon, ein Lauf, den man zu dritt beginnen und beenden muss. Das passt. Ich habe zwei feste Lauffreunde, mit denen ich abwechselnd laufe. Auch ihnen kam der Motivationsschub „Wintermarathon“ gerade recht. Einer von beiden brachte es auf den Punkt: „Ich sehe jetzt wieder Licht am Ende des Tunnels. Das Training hat einen Sinn.“ Wir laufen drei bis fünf Mal pro Woche, trotzen eisigem Wind, knöchelhohem Schnee und spiegelglattem Boden. Es läuft gut, die Formkurve steigt. Wir rechnen uns berechtigte Chancen aus, den Wintermarathon weit vorn zu beendet. Doch auch der findet nicht statt. Absage! Puh. Das nagt an der Psyche.

 

Doch wir lassen uns nicht unterkriegen, trainieren weiter, das nächste Ziel im Blick. Wir schaffen uns eigene Höhepunkte, planen einen Trainingsmarathon. Der Weg ist das Ziel. 43 Kilometer sind es schließlich geworden, die wir zu zweit mitten im Winter gelaufen sind. Unser eigener kleiner Wettkampf unter Corona-Bedingungen. Und der nächste ist schon geplant. Ein Ultra-Lauf. Ende Mai dieses Jahrs wollen wir 50 Kilometer durch den Spreewald laufen. Andere Ausdauersportler in unserem Landkreis hören von den selbst geschaffenen Höhepunkten und stellen sich ähnlichen Herausforderungen.

 

2021-05_Laufen_TourdeTirol

 

Doch einen richtigen Wettkampf ersetzt das nicht. Wir geben die Hoffnung nicht auf, auch wenn die negativen Nachrichten während der ersten Wochen in diesem Jahr Hochkonjunktur haben. Der Rennsteiglauf im Mai findet bestimmt statt. Doch auch hier war leider der Wunsch Vater des Gedankens. Der Kultlauf im Thüringer Wald wurde in den Herbst dieses Jahres verschoben. Kurz schütteln und einfach weitertrainieren. Ausdauersportler geben nicht so schnell auf.

 

Mitte Juni steht der Stelvio-Marathon in Südtirol auf dem Programm. 42,195 Kilometer bergauf, bergab, das Ziel auf der Passhöhe bei knapp 2.800 Metern. Wir sind diesen Marathon schon gelaufen, wissen, wie hart er ist. Deshalb steht jetzt auch Bergtraining auf dem Programm. Die erneute Vorbereitung auf einen Wettkampf hatte gerade begonnen, dann wurden wir wieder ausgebremst. Der Stelvio-Marathon wurde um fünf Wochen verschoben und ist dann nur noch 21 Kilometer lang. Aus und vorbei für uns. Der neue Termin passt nicht in unsere Urlaubsplanung. Aber Laufen dafür in mein Leben.

 

Während der Corona-Zeit fühle ich mich bestätigt, warum ich laufe. Weil ich gern in der Natur unterwegs bin. Es liebe, wenn der Frühnebel mit der Sonne konkurriert. Vogelgezwitscher mich begleitet. Der Körper auf Trainingsreize reagiert. Und weil ich gern an meine Grenzen gehe, einen sportlichen Ausgleich suche. Während des Laufens sind die Gedanken frei, ist die Welt der vielen negativen Meldungen weit weg. Die Seele kommt wieder ins Gleichgewicht. Das tut gut und funktioniert tatsächlich.

 

 

Zum Autor:

Andreas Staindl lebt in Lübben, läuft seit seiner Kindheit, bestreitet Wettkämpfe im In-und Ausland, stand auch bei internationalen Läufen schon mehrmals auf dem Podium. Er hat die Gründung des Luckauer Läuferbunds (LLB) vor 31 Jahren initiiert und ist Mitbegründer des Spreewald-Cup.

 

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Veröffentlichung

Mi, 26. Mai 2021

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