Es gibt noch Aufgaben
Am Mittwoch hat Stephan Loge seine letzte Kreistagssitzung als Landrat. Doch auch im Ruhestand will er sich politisch engagieren und für die Lübbener Stadtverordnetenversammlung kandidieren. Wie er auf seine 16-jährige Amtszeit zurückblickt, erzählt er im Interview.
Von Dörthe Ziemer
Stephan Loge gehört zu den Menschen, die sich mit ihren Emotionen nicht verstecken: Enttäuschung und Genugtuung, Sorge und Zuversicht, Trauer und Freude – all das hat er in den 16 Jahren seiner Amtszeit als Landrat zum Ausdruck gebracht, wann immer es nötig war. Seine letzte Kreistagssitzung als Landrat könnte wieder so einen Moment bereithalten: Es wird über das Thema weiterführende Schulen debattiert, bei dem er, wie er sagt, einen „Paradigmenwechsel“ erlebt hat und „auf dem Glatteis“ ausgerutscht ist.
Eigentlich wollte er nach seinem letzten Tag im Landratsbüro in der Lübbener Reutergasse den Ruhestand genießen, sagte Stephan Loge häufiger. Doch die vergangenen Wochen haben offenbar den Wunsch reifen lassen, für die Lübbener Stadtverordnetenversammlung zu kandidieren. Warum und wie er die letzten Wochen als Landrat erlebt hat, welche besonders emotionalen, politisch brisanten und überraschenden Momente ihm sein Amt gebracht haben, davon erzählt er im Interview.
Herr Loge, bevor wir zum Rückblick auf Ihre Amtszeit kommen: Was bewegt Sie in diesen Wochen des beginnenden Superwahljahres besonders, da wir Bauernproteste mit verschiedensten Ausprägungen erleben und hunderttausende Menschen für Demokratie und Menschenwürde auf die Straße gehen?
Wir haben 1989/90 einige Errungenschaften erwirkt, die offenbar manche Menschen heute wieder kaputtmachen möchten, wenn ich so an manche „Montagsdemo“ denke. Aber es ist mitnichten so wie 1989 – damals ging es um Freiheit, Menschenrechte und Würde, heute um materielle Dinge. Ich staune zugleich, dass, wenn so viele Menschen für Demokratie demonstrieren gehen, ihnen unterstellt wird, sie würden staatlich aufgestellt und finanziert.
Letztlich sind fast alle Demonstrationsformen legitim, also gesetzlich gedeckt, aber vielleicht doch nicht moralisch legitim: Mit riesigen Traktoren durch Innenstädte zu fahren, wirkt auf mich wie eine Panzerdivision. Der Stahlarbeiter kann auch nicht seinen Hochofen mitschleppen, wenn er demonstrieren geht, und der Lokführer nicht seine Bahn. Da wird eine Machtposition ausgespielt, auch durch lautes Hupen.
Es war beispielsweise in der Versammlungserlaubnis für die Demo am 13. Januar in Lübben verfügt, dass nicht vor Schulen, Kitas, Krankenhäusern, Pflegeheimen und ähnlichen Einrichtungen gehupt werden darf. Aber es war laut – in der gesamten Berliner Chaussee weiter über die Park-, Bahnhof- und Logen- bis zur Lindenstraße. In den dortigen Einrichtungen leben u. a. pflegebedürftige oder traumatisierte Menschen und vor allem auch Kinder. Da frage ich mich: Gibt es da noch eine Hemmschwelle? Die Freiheit zum Protest wird ausgenutzt.
Angesichts der vielfältigen Proteste mit verschiedensten Inhalten drängt sich die Frage auf: Hat die Politik eigentlich verlernt den Menschen zuzuhören?
Das empfindet jeder anders. Der vor uns stehende Umschwung ist leider schwer vermittelbar. Es muss mehr erklärt und vermittelt werden. Ich denke, das ist in den vergangenen Jahrzehnten in der BRD zu wenig passiert und es haben sich Probleme angestaut. Die Ausrichtung auf die junge Generation fehlte lange. Jetzt haben wir eine Dreierkoalition mit teils konträren Grundsätzen. Da kommen verschiedenste Bedarfe aus der Gesellschaft zusammen und man kann nur so viel umsetzen, wie machbar ist. Das ist parlamentarische Demokratie und der Job der Regierung: die Demokratie des Machbaren.
Landrat Stephan Loge. Foto: LDS/Marie-Luise Schmidt
Wann hatten Sie in Ihrer Amtszeit als Landrat einmal das Gefühl, dass Sie nicht ausreichend das „Ohr an der Masse“ hatten?
Auf kommunaler Ebene muss ich mir da keine Vorwürfe machen. In der Landkreispolitik sind wir zu zwei Dritteln administrativ tätig, das heißt, wir müssen Landesgesetze umsetzen. Da hat man selten Spielräume. Das Ohr kann ich dabei höchstens von der Masse an den Gesetzgeber herantragen. So haben wir beispielsweise versucht, das Bundesbaugesetzbuch zu evaluieren: Doch da ist nur in Nuancen etwas erfolgt, denn es gibt immer genügend Lobbyisten, die etwas anderes wollen.
Bei den freiwilligen Dingen haben wir viel hingehört, etwa bei der kostenfreien Schülerbeförderung. Das wurde zwei Mal eingebracht: Nach dem ersten Mal mussten wir sie zurücknehmen, weil das Geld nicht da war, dann haben wir sie wieder eingeführt. Auch bei der Essensversorgung in Schulen in kreislicher Trägerschaft, beim Sozialticket und beim Strukturfonds haben wir zugehört. Und wir sind stolz darauf.
Derzeit sehe ich die Gefahr, dass das Zuhören nicht mehr so effektiv passiert, weil der Tonfall anders geworden ist: Es gibt fast nur noch Lautstärke und Forderungen. Das zeigt sich übrigens auch an der Post, die wir ins Landratsamt bekommen: Die ist zunehmend beleidigend und demotivierend.
Sie haben es auf einer Demonstration Ende Januar in Lübben so formuliert: Die Demokratie ist die schwierigste Regierungsform, aber im Resultat die Beste. Und auch in der Kommunalpolitik sei in den vergangenen Jahren „viel gestritten und einiges gestaltet“ worden. Welches waren die für Sie schwierigsten Aushandlungsprozesse in Ihrer Amtszeit?
Zu den schwierigsten Entscheidungen gehörte sicherlich 2010 die Anteilsveräußerung des Klinikums Dahme-Spreewald an Sana – erst waren es 25 Prozent, dann 49 Prozent, da gab es viele Diskussionen. Es war aber eine Entscheidung im Sinne der wirtschaftlichen Stabilität. Seitdem gab es für die wirtschaftlichen Belange des Klinikums nicht einen Cent mehr aus der Kreiskasse, während man in anderen Landkreisen Zuschüsse brauchte – bis hin zur Standortprüfung etwa in Elbe-Elster. In unserem Landkreis haben sich die Häuser des Klinikums Dahme-Spreewald gut entwickelt.
Seit 2009 konnten wir kontinuierlich die Kreisumlage senken: von 40,5 auf jetzt 35,32 Prozent, zwischenzeitlich war sie noch niedriger. Das ist die tiefste Kreisumlage in Brandenburg, und das zähle ich ebenfalls zu den Erfolgen. Doch die Gemeinden müssen sich fragen lassen: Was haben sie mit diesem Vorteil gemacht?
Bei der einst geplanten Kreisgebietsreform liefen vor allem im Hintergrund viele Gespräche. Wenn es so gekommen wäre, dass wir mit Teltow-Fläming fusionieren – unvorstellbar. Da wären auch die ganzen Kammerstrukturen andere geworden: Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer und mehr. In dem Zusammenhang ist es sicher nicht immer von Vorteil, wenn der Ministerpräsident in der gleichen Partei ist. Da wird man eher noch strenger rangenommen…
Gescheitert bin ich einmal mit der Wahl eines Beigeordneten, den ich dem Kreistag vorgeschlagen hatte. Man denkt ja, es gäbe Achtungszeichen vor so einer Entscheidung, man hätte so seine Antennen und sein Feingefühl… Das Gefühl hat mich in dem Fall betrogen.
„Man denkt ja, es gäbe Achtungszeichen vor so einer Entscheidung, man hätte so seine Antennen und sein Feingefühl… Das Gefühl hat mich in dem Fall betrogen.“
Stephan Loge über die gescheiterte Wahl eines Beigeordneten
Abgesehen von solchen Aushandlungsprozessen in der Kommunalpolitik ist der Landrat auch Untere Landesbehörde, d.h. Sie müssen mit Ihrer Verwaltung Landesgesetze vor Ort umsetzen und deren Einhaltung kontrollieren. In welchen Fällen erschien Ihnen diese Aufgabe besonders herausfordernd, und in welchen waren Sie froh, diese Aufgabe ausführen zu dürfen?
Das ist eine ziemlich schwierige Aufgabe, untere Landesbehörde zu sein, denn man wird von beiden Seiten gefordert: Auf der einen Seite ist das Gesetz, da hat man kaum Spielräume. Auf der anderen Seite ist der Bürger mit seinen eigenen Ansichten und Bedarfen. Da muss man klar machen: So ist nun einmal das Gesetz und vielleicht gibt es Kompromisse.
Zugleich verstecken wir uns nicht gern hinter Gesetzen und versuchen, die Menschen zu überzeugen, aber das wird zunehmend schwerer. Da bilden sich auch Angriffspunkte, besonders im Bereich der Jugend-, Umwelt- und Baugesetzgebung. Die ganz kritischen Fälle landen auch bei mir. Und wenn Bürger dann mit Entscheidungen immer noch nicht zufrieden sind, geht man eben z. B. zum Ministerpräsidenten oder Kanzler. Doch dafür gibt keinen Grund. Als untere Landesbehörde sind wir autark, da redet uns selten jemand rein. Das gilt etwa auch für den Flughafen BER: Man hätte ja von oben anordnen können, dass ich mal ein Auge zudrücken soll. Nein, so war es nicht!
Eine große Herausforderung war auch, ab 2015 die vielen Asylbewerber unterzubringen. Da ging von heute auf morgen eine intensive Arbeit los, überall gab es Bürgerversammlungen. Carsten Saß als zuständigem Dezernenten wurde damals z. B. mit der Guillotine gedroht… . Aber es gab auch zahlreiche Unterstützungen.
Als Landkreis sind wir auch Katastrophenschutzbehörde und müssen mit großen Waldbränden und Hochwasser umgehen. Diese großen Waldbrände – das hat mich tief bewegt. Wir waren ein kollegiales Team – Feuerwehr, Hilfskräfte, Rettungswesen, Polizei, Bundeswehr, Forst und die Presseabteilung. In Erinnerung ist mir noch das Hochwasser von 2013, als wir am Nordumfluter vor der Frage standen: Welche Quartiere werden überschwemmt? Die Pandemie hat uns richtig Kraft gekostet. Wir haben monatelang in Stabsstrukturen gearbeitet, und ich denke, einigermaßen haben wir es hinbekommen.
Was mir überhaupt nicht aus dem Kopf geht, ist das Busunglück von 2010 am Schönefelder Kreuz mit 14 Toten. Dabei waren die schlimmsten Bilder schon durch tapfere Helfer behandelt. 35 Verletzte waren in die Krankenhäuser bis nach Leipzig verteilt, und ich musste den anreisenden Angehörigen sagen, wer wo liegt. Ich wusste nicht, dass den Familien noch nicht bekannt war, wer die Tragödie überlebt hatte. Als ich mich dem Ende der Liste näherte, wurde den verbliebenen Anwesenden klar, dass ihre Angehörigen zu den Todesopfern gehören. Manche schrien vor Trauer. Was die Rettungsdienste und Notfallseelsorger aushalten, davor kann man nur den Hut ziehen.
Als Untere Landesbehörde führt der Landrat auch die Rechts-, Sonder- und Fachaufsicht über die kreisangehörigen Gemeinden und Ämter. Wie hat sich diesbezüglich die Zusammenarbeit mit den Kommunen in Ihrer Amtszeit entwickelt?
In den ersten 12 bis 13 Jahren gab es ein gutes Einvernehmen in der kommunalen Familie. Man war sich nicht immer sympathisch, aber es gab ein gemeinsames Verständnis füreinander. Deshalb kam der Strukturfonds zustande, durch den solventere Kommunen andere mitziehen. Dieses Verständnis füreinander hat nachgelassen. Ausschlaggebend war ein Bürgermeister in Königs Wusterhausen, mit dem es wenig Möglichkeiten gab, kommunale Gemeinsamkeiten zu formulieren. Es ging immer nach seiner Meinung und Rechtsauffassung. Dem folgten weitere Kollegen.
Dann gab es einen Paradigmenwechsel bei den weiterführenden Schulen. Nach der Wende blieben die Oberschulen und Grundschulen in gemeindlicher Hoheit, das hatten wir so abgemacht. Das war auch eine der Begründungen für die niedrige Kreisumlage. Darauf habe ich mich verlassen. Und dann bin ich auf dem Glatteis voll ausgerutscht. Was ich mich frage: Warum haben die Kommunen dank der geringen Kreisumlage nicht gespart, um zu investieren? Warum haben sie angesichts des wahnsinnigen Bevölkerungszuwachses im Norden keine städtebaulichen Verträge abgeschlossen? Die privaten Investoren verdienen gutes Geld beim Wohnungsbau, und die Grundstücke wurden immer teurer. Da ist es üblich, dass man Investoren über städtebauliche Verträge am Aufbau der sozialen Infrastruktur beteiligt.
Aber solche Paradigmenwechsel gibt es in anderen Landkreisen auch: Der Barnim und Potsdam-Mittelmark etwa müssen z. B. über 300 Millionen Euro Kredit aufnehmen, unter anderem um Schulen zu bauen.
Das Landratsamt in Lübben. Foto: Dörthe Ziemer
Über die gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben hinaus ist ein Landrat auch Vernetzer und oberster Repräsentant des Landkreises. Wie blicken Sie auf diese Aufgabe zurück?
Als Repräsentant darf man viele schöne Sachen erleben, etwa die vielen Funktionen in Gremien. So war ich z. B. im Deutschen Landkreistag vertreten und Vorsitzender im Ausschuss für Europa und Verfassung. Ich habe viele Menschen getroffen, auch Spitzenpolitiker oder Künstler sind dann irgendwann für mich zum Alltag geworden. Letztens war ich beim Bundeskanzler, es ging um Städtebauförderung. Da zeigt sich, dass man sich etwas erarbeitet hat.
Durch die regelmäßigen Ehrenamtsauszeichnungen habe ich viele engagierte Menschen kennengelernt. Im Jugendamt habe ich manche Tragik des Lebensalltags miterlebt.
„Dass die gleiche Partei wie die des Ministerpräsidenten von Vorteil sei, das denke ich eher nicht. Das hat man bei der geplatzten Kreisgebietsreform gesehen.“
Stephan Loge über Parteien und Politik
Welche Rolle spielen Parteien bei diesen ganzen Aufgaben? Sie sind Mitglied der SPD – ist es praktisch, wenn der Ministerpräsident in der gleichen Partei ist?
Der Vorteil unserer Demokratie ist, dass sie eine parlamentarische ist. Alle vier Jahre bekommen wir die Möglichkeit zu schauen: Wer hat welche Pläne, wer hat was geschafft? Dementsprechend fällt das Wahlverhalten aus, und man schickt als Wähler seine Vertrauensleute los.
Auf der kommunalen Ebene gibt es viele parteiunabhängige Gewählte, aber auch die arbeiten unter einer logistischen Glocke, wie etwa der Unabhängigen Bürgerliste UBL. Die Parteimitgliedschaft hat den Vorteil, dass man in etwa weiß, in welche Richtung es geht und welche Verlässlichkeit zu erwarten ist. Die Unabhängigen arbeiten viel nach Tagesform und Lobbyismus.
Dass die gleiche Partei wie die des Ministerpräsidenten von Vorteil sei, das denke ich eher nicht. Das hat man bei der geplatzten Kreisgebietsreform gesehen: Der SPD-Ministerpräsident Woidke stand zu seinen Ministern… Ich und andere haben gesagt, dass man die Reform so nicht akzeptieren kann, und wir haben nach sachdienlichen Argumenten gesucht. Ich konnte beweisen, dass die zugrunde liegende Bevölkerungsprognose nicht stimmte und dass wir 2025 weit über 175.000 Einwohner haben würden. Da sind wir übrigens schon heute weit drüber. Meinungsverschiedenheiten sind also legitim.
Im Kreise der Landesregierung. Stephan Loge (M.) beim "Kabinett vor Ort" in Luckau 2023. Foto: Staatskanzlei
Im Landratswahlkampf wurde der „Filz und Klüngel“ in der SPD moniert. Einige Wahlkämpfer sprachen davon, dass es eine „nicht mehr hinnehmbare Politik“ im Landkreis gebe, „die nicht mehr für, sondern gegen den Landkreis“ arbeite. Waren das für Sie kritische Worte, über die Sie nachgedacht haben, oder haben Sie das unter „Wahlkampf-Getöse“ abgelegt?
Ich habe das sehr persönlich genommen, dass es in einem Satz stand: Man müsse den „SPD-Filz“ beenden und die AfD verhindern. Es ging ja um die Wahl des Landrates. Das kam damals aus dem Kreisbüro der Linken und wurde von der Spitze des CDU-Kreisverbandes mitgetragen. Alle CDU-Leute, die ich angesprochen habe, haben dies nicht mitgetragen, es aber akzeptiert. Ich bin mir irgendwelcher Verfilzungen nicht bewusst.
Viele Menschen im Landkreis sorgen sich um den Frieden in Europa und fordern von der Bundesregierung mehr Diplomatie mit Russland. Es gab einen offenen Brief der Stadtverordneten aus KW an den Bundeskanzler, ein ähnliches Ansinnen fand im Kreistag keine Mehrheit. Haben Sie Verständnis, wenn sich vor diesem Hintergrund etwa die Montags- oder Donnerstagsdemonstranten und andere Menschen von den Regierungsparteien auch vor Ort mehr Dialog wünschen? Wie könnte so ein Dialog aussehen?
Jeder darf seine eigene Überzeugung haben. Ich bin auf kommunaler Ebene jedoch nicht in der Lage, eine einheitliche parlamentarische Meinung zu finden, die auch eine Wirkung entfaltet. Das würde auf der nächsten Ebene lediglich zur Kenntnis genommen. Es ist nicht so, dass man in einer Parteistruktur Durchgriff bis zum Parteivorsitzenden hat.
Es ist zudem eine Mehrheit, die sagt: Dieser Krieg ist ein Unrechtskrieg. Ich erinnere mich, wie meine Eltern 1968 vor dem Radio hingen und ängstlichst gehört haben, wie die Sowjetunion in Prag einmarschiert ist. Als man 1980 in Polen einmarschierte, habe auch ich mich gefragt: Sollen wir etwa eine weitere Sowjetrepublik werden? Man kann nicht einfach einen souveränen Staat überfallen!
Ob wir Raketen liefern sollten – hinter dieser Frage steckt eine moralische Überlegung. Diese Raketen könnten auch für Angriffsaktionen genutzt werden und hier sagt man: nicht mit deutschen Waffen auf russischem Grund und Boden. Da bin ich nah beim Kanzler.
Was auf keinen Fall stimmt, dass man ein Parteisoldat ist und die Meinung der Partei zu vertreten hat. Wenn ich etwas erreichen möchte, habe ich im Rahmen meiner Zuständigkeit zu kämpfen. Ich habe mich in den vielen Jahren darum bemüht, dass ich in vielen Gremien sitze. Und es bedeutet viel Arbeit, in die beschließenden Gremien zu kommen. Das hat auch etwas mit Vertrauen zu tun.
„Da sind so viele Menschen der jungen Generation, die sagen: Das ist unsere Zukunft, wir müssen die Gesellschaft jetzt umbauen.“
Stephan Loge über Jugend und Engagement
Angesichts der vielen Demonstrationen für Demokratie: Welche Möglichkeiten hat ein Landkreis, die Zivilgesellschaft noch mehr zu stärken? Und wie lässt sich aus Ihrer Sicht das politische Engagement in den Kommunen, was ja Keimzelle der Demokratie ist, stärken – gerade auch das Engagement junger Menschen?
Die Jugend macht mir Hoffnung. Ich habe bei der großen Demo in Berlin, aber auch in Lübben, viele Jugendliche erlebt. Da sind so viele Menschen der jungen Generation, die sagen: Das ist unsere Zukunft, wir müssen die Gesellschaft jetzt umbauen.
Wir als Landkreis sind da auch aktiv im Rahmen unserer Möglichkeiten: Wir haben das Kinder- und Jugendforum und strukturierte Beteiligungsprozesse. Wir haben aber auch die Gedenkstättenpädagogik. Wir veranstalten ein Jugendcamp und bauen – auf kleiner Ebene – die Struktur des Weimarer Dreiecks auf, zwischen dem polnischen Kreis Wolsztyn, Dahme-Spreewald und der französischen Gemeinde Cabestany.
Wie sieht Ihre eigene politische Zukunft aus? Sie hatten ja angekündigt, den Ruhestand genießen zu wollen…
Eigentlich wollte ich gar nichts machen, aber das Demonstrationswochenende in Lübben hat mir gezeigt, dass hier Aufgaben liegen. Ich möchte gern für die Stadtverordnetenversammlung in Lübben kandidieren.
Zu guter Letzt: Was werden Sie am 1. März machen?
Weiß ich noch nicht. Verschnaufen und im Alltag ankommen. Ich werde mich mehr um die Familie kümmern: die Eltern in den Urlaub begleiten, die Enkelkinder häufiger sehen. Und ich werde mehr Sport machen, schwimmen zum Beispiel.
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